In der Schweiz
Heute Morgen mache ich Hopsas ABS kaputt. Natürlich nicht mit Absicht, aber fast. Und das geht so: Ich vergesse meinen Damit-wisch-ich-alles-sauber-Lappen auf der Gepäckrolle und fahre los. Lappen fällt runter. Lappen wickelt sich um Bremsscheibe. Lappen verbiegt ABS-Sensor.
Es braucht 20 Minuten und die Hilfe eines Erwachsenen, um den Lappen aus dem blockierten Hinterrad zu prokeln. Ich schiebe die Honda rückwärts und ein hilfsbereiter Passant zerrt dabei an dem Lappen.
"Danke schön, hilfsbereiter Passant. Das war echt nett von dir. Du solltest dir übrigens mal die Hände waschen. Die sind ganz schmierig. Bäh!"
Wenige Kilometer hinter dem Genfersee ist das Malheur vergessen. Ich ignoriere die ABS-Leuchte nach Kräften. Die Landschaft ist so schön, dass es mir leicht fällt, wieder gute Laune zu haben.
Kurz darauf komme ich nach Payerne. Hier will ich Pause machen. Mit suchendem Blick tuckere ich durch das Gewirr der Gassen. Auf dem Gehsteig Frauen mit Kopftüchern, auf einer Treppe sitzt ein Mann mit Bart und lässt eine Gebetskette durch die Finger gleiten, und es gibt jede Menge Kebab-Läden. Doch wer isst schon Kebab zum Frühstück?
"Hier, wir! Svenja und Pieps. Moment, ich stell nur das Motorrad ab."
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Döner und Kebab? Oder ist es dasselbe? Mit dieser Frage im Hinterkopf hänge ich den Helm über den Lenker und gehe ins Chez Ali Baba.
Hinter dem Tresen steht ein arabisch aussehender Mann in meinem Alter, adrett gekleidet mit Jeans und weißem Oberhemd. Ein schlanker, drahtiger Typ mit einem offenen, freundlichen Gesicht. Hinter ihm dreht in Zeitlupe ein Spieß Royal-Kebab auf dem Feuer und duftet verführerisch.
Mustafa, so heißt Ali Baba richtig, ist höflich, charmant und zurückhaltend zugleich. Er spricht sogar ein paar Brocken Deutsch. Etwa so fließend, wie ich Französisch. Mit einem Lächeln sagt er für mich seine beiden besten Sätze auf: "Mit alles?" und "Mit scharf?"
Ich erwidere, dass ich lieber zelten möchte und gerne ein großes Entrecôte hätte. Mit viel Fett. Das sind nämlich meine beiden besten Sätze. Er muss lachen. Tatsächlich bestelle ich einen Royal-Kebab mit Kalbfleisch, mit alles und mit viel scharf.
Aus einer Schüssel gießt Mustafa Teig auf eine Heizplatte und backt eine Galette, eine Art herzhaften Pfannkuchen, in den er eine unglaublich große Menge Fleisch, ein wenig Salat und sehr viel alles mit scharf einwickelt.
Ich kann nicht glauben, wie gut das schmeckt. Das ist dieselbe Qualität wie bei Köz Urfa, dem berühmten türkischen Restaurant beim Autozug in Hamburg-Altona. Sonst mag ich Döner nicht.
Warum spricht man mit Ausländern eigentlich automatisch Pidgin Sprache und dazu noch etwas lauter? Weil man glaubt, falsches Deutsch oder Englisch verstehen sie besser?
Keine Ahnung, und es spielt auch keine Rolle, denn beides ist gelogen. Wenn Alice Schwarzer hören könnte, wie ich leichtfertig Grundpositionen des Feminismus verrate, wäre ich fällig, aber Mustafa gibt sich mit meiner Erklärung zufrieden. Er ist einen halben Kopf kleiner als ich.
"Darf ich Madame einladen Kaffee?"
"Qui. Mercy beaucoup."
"Nimm das, Alice!", denke ich im Stillen und genieße den aromatischen Kaffee, während Pieps einen Keks in sich hineinmampft, den Mustafa ihr spendiert hat.
Mit warmherzigem Lächeln verspricht Mustafa, dass wann immer ich durch Payerne komme, hier im Ali Baba eine Tasse Kaffee auf mich warten wird. Ich bedanke mich mit aller Herzlichkeit. Welch ein lieber Mann. Den mag ich sehr. Und er kann verdammt gut grillen.
Ich setze den Blinker links und biege ab in Richtung Ferrette. Bevor wir raus zum Zeltplatz fahren, muss ich einkaufen. Ich finde einen Laden mit Entrecôte, Ziegenkäse, Baguette und Rotwein. Fertig eingekauft! Jetzt fahren wir zum Campingplatz Les Hêtres.
Ich suche einen hübschen Platz im Schatten und stelle ein letztes Mal auf dieser Reise unser Schlafzimmer hin. Ein ausgesprochen hübscher Platz für ein Schlafzimmer, übrigens.
"Aber natürlich" denke ich empört. "Trägt der Papst rote Schuhe, liebt Pieps Körsch-Eis und macht Svenja eine Herbstreise?"
Bloß wohin? Im September nach Slowenien? Autozug bis Wien? Oder nach Schweden? Schotterpisten, Outdoor-Adventure, Pilze ärgern, an Mücken kratzen?
Mal sehen. Jetzt muss ich erstmal abwaschen und dann wird es allmählich Zeit fürs Bett. "Pieps, kommst du mit abwaschen? Du könntest abtrocknen. Pieps...?"
Verschwunden Richtung Spielplatz. Hmpff...
zum nächsten Tag...
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