Frankreich 2019
Tag 1 Kiel - Hamburg-Altona
Tag 2 Lörrach - Camp Hautoreille
Tag 3 Langres - Parc du Morvan
Tag 4 Morvan - Auvergne
Tag 5 Parc Volcans d'Auvergne
Tag 6 Auvergne - Perigord
Tag 7 Jokertag in Beynac
Tag 8 Sarlat-la-Canéda
Tag 9 Souillac, Okzitanien
Tag 10 Le Rouget - Villefort
Tag 11 Thines
Tag 12 Villefort - Orgon, Provence
Tag 13 Carrières de Lumières
Tag 14 Gorges Verdon und Daluis
Tag 15 Nizza - Menton - St. Martin
Tag 16 Col de la Bonette - d’Izoard
Tag 17 Col du Galibier - de l’Isèran
Tag 18/19 Am Genfersee
Tag 20 In der Schweiz
Tag 21 Heimreise und Fazit
Platzhalter Motorradreise Frankreich
Platzhalter Motorradtour Perigord
Platzhalter Motorradtour Perigord
Platzhalter Motorradtour Perigord
Platzhalter Platzhalter Motorradreise Frankreich
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Heimreise und Fazit

Im Grunde ist es eine Tragödie: Niemand mag die Heimreise. Sämtliche Abenteuer sind bestanden, die Reisekasse ist erledigt und schon beim Gedanken an die Arbeit kriegt man miese Laune. Aber nicht heute! Ich bin finster entschlossen, diesmal auch aus dem letzten Tag noch irgendwas Interessantes rauszuholen. Bloß was?

Es gibt eine Burgruine in der Nähe, die könnten wir besichtigen, doch zuerst muss ich überlegen, wie ich heute Abend auf den Autozug komme. Dank des extra toughen Wilbers Fahrwerks liegt die Sitzbank der Africa Single nun bei 93 cm über Normal Null. Mit mir oben­drauf ist das eindeutig zu hoch. Ich könnte einen kleinen Menschen mit extra langen Beinen engagieren, der die Honda für mich auf den Zug fährt, aber wo findet man so einen und was kostet er?

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Nein, ich muss mir etwas anderes einfallen lassen. Zuerst muss das Airhawk Kissen runter. Damit ist ein Zentimeter Kopf­freiheit unter Deck gewonnen. Dann schraube ich das Schild vom Endurohelm, das bringt bessere Sicht. Und den Tankrucksack werde ich kurz vorher hinten anhängen. Wenn ich mich ganz flach hinlege, könnte es funktionieren.

Zufrieden mit meinem Plan biege ich ab auf die Straße nach Ferrette. Auf einem Felsen hoch über dem Dorf thront Château de Ferrette. Oder das, was davon übrig ist.

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Pieps und ich haben ein Faible für Burgen. Zinnen und Zugbrücken, Türme und Erker, Schießscharten und Pechnasen. Für uns ist jede Burg eine Raubritterburg, die Piraten der Berge. Schlösser interessieren uns nicht. Reifröcke und gepuderte Perücken? Pah! Wir wollen Blut sehen. Oder wenigstens mal mit der Armbrust schießen dürfen.

Ich parke die Honda vor dem Finanzamt von Ferrette. Da steht sie sicher. Denen fehlt die Phantasie, um sich für den Inhalt meines Tankrucksacks zu interessieren. Mit der Kamera um den Hals - wie jeder brave Tourist - folge ich dem Wegweiser zum Château.

Da ist eine Sache über Burgen, die man wissen muss: Sie liegen meistens oben und es ist jedesmal eine verdammte Kraxelei bis hinauf zum Tor.

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Château de Ferrette ist bloß eine Ruine, aber das mögen wir. Auf diese Weise wirkt alles echter. Ich male mir aus, wie hier gekämpft wurde, wie Ritter Schritt um Schritt zurückgewichen sind, mit dem Schwert in der Hand, und schließlich der Feind die Burg eingenommen hat.

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Ich kann gut verstehen, weshalb die Mittelalterszene viele so fasziniert. Ich bin selbst begeistert. Nur hätte ich keine Lust, irgendeine Magd, oder so eine doofe Prinzessin zu spielen. Ich würde wenigstens eine Schildmaid sein wollen, am besten gleich Lagertha. Bloß mit dunklen Haaren.

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Ohne ein gehöriges Mass an Fantasie wäre Burg Ferrette ziemlich lahm. Man hat einen weiten Blick ins Land, auf den Schwarzwald und in die Vogesen, aber ansonsten gibt es wenig zu sehen.

Nachdem wir jede Mauer bestaunt und durch jede Schießscharte gezielt haben, wandern wir zurück zum Motorrad. Es geht so steil bergab, dass die Zehen sich vorne in die Motorradstiefel pressen.

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Unten im Dorf suche ich uns ein Frühstücks-Café. Die Boulangerie Fritschy hat eine tolle Auswahl belegter Brote und ich lerne, dass ein Baguette, wenn schon Wurst draufliegt, in Frankreich Sandwich heißt.

Einerlei, wie sehr man trödelt und durch wie viele Schießscharten man glotzt: 45 km bis zum Autozug sind zu wenig, um einen ganzen Tag dafür zu brauchen. So laufen wir schon kurz vor Mittag in Lörrach ein.

Ich parke die Honda am Seiteneingang vom Rathaus. Genau vor den Bürofenstern der Beamten. Falls die mal hochgucken, haben sie mein Motorrad im Blick. Nur dass heute niemand an seinem Schreibtisch sitzt. Die Büros sind dunkel und auch die Fußgängerzone ist für Donnerstag­mittag seltsam verlassen.

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Was ist hier los? Alle pleite? Neugierig schlendere ich durch die fast menschenleere Fußgängerzone. Alle Läden sind geschlossen und selbst McDonalds liegt im Dunkeln. Auf einer Bank sitzt ein junger Südländer ungewisser Herkunft und wischt auf seinem Handy. Den frag ich mal:

"Entschuldigung. Wieso ist hier alles zu? Irgendein Feiertag?"
"Ja."
"Welcher denn?"
"Keine Ahnung. Frozen Leichnam, oder so."

Will der mich veralbern? So einen Feiertag gibt es nicht. Wortlos drehe ich mich um und suche weiter nach etwas Essbarem für Pieps und mich.

Es beginnt zu regnen. Ich halte mich nah an den Geschäften. Am Bahnhof hat endlich einer geöffnet: Backwerk. In Dreierreihe stehen die Leute am Tresen an. Der macht heute das Geschäft seines Lebens.

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Pieps und ich entscheiden uns für etwas, das jeden Kardiologen mühelos über den Winter bringt: Ein Weißmehlbrötchen mit einem Würstchen, von dem meine vegane Freundin Jutta behaupten würde, darin seien bloß gemahlene Hufe, Fett und Blutserum, darauf Schmelzkäse und oben auf eine fette Scheibe Speck. Es schmeckt köstlich. Wir nehmen zwei davon.

Das Publikum ist bunt gemischt. Sehr bunt sogar. Lörrach ist nicht gerade Beverly Hills oder Baden-Baden, und es ist interessant still in einer Ecke zu sitzen und die Leute zu beobachten. Bloß keinen Blickkontakt.

Lörrach ist aber auch für wirklich gute Dinge bekannt: Für prima Wetter und für den Autozug. Die Gegend gilt als Die Toskana Deutschlands. Der Regen hat sich verzogen und die Sonne brennt im Nu das letzte Wasser aus der Landschaft.

Satt und zufrieden gehe ich zurück zum Motorrad und tuckere das kleine Stück hinüber zum Verladeterminal. Obwohl wir so früh sind, sind wir nicht die Ersten. An der Wartelinie stehen schon zwei Enduros. Einzylinder. Eine Yamaha XT600 und eine der frühen Ténérés.

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"Sehr cool!", denke ich und stelle Hopsa daneben. Ein Pärchen steht im Schatten der Wartehalle. Ute und Martin aus Stuttgart. Die Beiden sind unterwegs ins Baltikum. Das wird sicher eine tolle Reise.

Inzwischen kommt Thomas angefahren. Ihm gehört der kultige Imbiss­wagen am Verladebahnhof, wobei Imbiss ein wenig in die Irre führt: Hier gibt es richtig gutes, selbstgekochtes Essen. Thomas ist Koch aus Leidenschaft, auch wenn er in seinem ersten Leben etwas ganz anderes gemacht hat.

Ich freu mich, ihn wiederzusehen und noch mehr freue ich mich auf seine hausgemachten Frikadellen. Wir nehmen zwei. Sie schmecken köstlich.

Inzwischen sind Männer in Orange aufgetaucht und machen die Waggons fertig für die Verladung. Zeit für meinen Plan Autozug. Ich nehme den Tankrucksack runter und hänge ihn hinten ans Gepäck.

Ich bin schon oft auf den Autozug gefahren. Mit Greeny war das nie ein Problem, aber Hopsa hat längere Beine. Zum ersten Mal habe ich ein bisschen Schiss. Vorsichtig rolle ich als erste auf den Zug. Bloß den Kopf unten halten. Ich kann etwa einen Meter vorausgucken. Langsam, aber bloß nicht zu langsam, rolle ich von Waggon zu Waggon bis ganz nach vorne. Geschafft!

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Wir stehen ganz vorne an der Kante. Morgen in Hamburg braucht es nur noch einen winzigen Hüpfer an Land.


Fazit

Dies war schon unsere vierte Reise durch Frankreich. Nach den Vogesen, der Auvergne und Bretagne, waren wir diesmal im Périgord und sind der Route des Grandes Alpes gefolgt von Menton bis zum Genfer See.

In Frankreich gibt es alles, was wir am Motorradreisen lieben. Schmale Landstraßen mit wenig Verkehr, schöne Landschaft, gute Camping­plätze, besseres Wetter, und natürlich das französische Essen, Croissants, Käse, Entrecôte und roten Wein. Und dazu wunderbar gelassene Menschen.

Pieps und ich bekommen von Frankreich nicht genug. Nächsten Sommer fahren wir wieder hin. Der Autozug ist schon gebucht. Wir wollen nochmal am Fuß der Burg in Beynac zelten, wollen fahren und fotografieren, wollen besichtigen und bestaunen, morgens im Nacht­zeug zum Bäcker spazieren, lesen, schlafen, Köpper üben und uns ausruhen.

Wir können es beide kaum erwarten.

Als ich nach 22 Tagen und 3322 gefahrenen Kilometern die Haustür aufschließe, wartet meine Claudia schon mit dem Frühstück auf uns. Nach der - wie üblich - tränenreichen Begrüßung zweier alter Tanten stoßen wir mit Blanchet an und Pieps beginnt zu erzählen...

"Nur Karo hat gesacht, ihr Bruder Dschastin hat gesacht, Franzosen immer nur Schnecken essen un manschmah soga Frösche! Aber stümmt ga nich. Iss bloß 'n Vorteil, näh?!"

"Ja, mein Liebling. Das ist bloß ein dummes Vorurteil. Franzosen essen ab und zu etwas, das heißt Escargot, aber das ist sehr lecker und überhaupt nicht eklig."



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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.