Besuch bei Funny
Brrr, ist mir kalt. Mitten in der Nacht wache ich auf und friere. Es sind 6° C im Zelt und dafür ist der leichte Schlafsack nicht gemacht. Doch genau für diesen Fall habe ich vorgesorgt und mir ein Thermo-Inlet gekauft. Ich rupfe den weichen Beutel aus seiner Verpackung, schlüpfe hinein und in den Schlafsack. Innerhalb von Minuten ist mir wieder mollig warm und ich schlafe selig weiter.
Dieses Inlet ist wirklich eine Entdeckung, damit lässt sich der Sommerschlafsack um einige Grade strecken und dazu ist der Stoff noch viel kuscheliger, als das kühle Nylon des Schlafsacks. Nach 11 Stunden Schlaf lege ich einen Blitzstart hin und fahre eine halbe Stunde später vom Campingplatz.Die Motorrad News hat über das Emsland geschrieben: ...mit seiner Fülle an Sehenswürdigkeiten, reizvollen Landschaften und verkehrsarmen Straßen ist es alles andere als langweilig.
Entweder ist der Reisebericht schon älter, oder es gibt noch ein anderes Emsland, denn diese Gegend hier möchte ich am liebsten schnell hinter mich bringen.
Die Bundesstraße wird immer wieder von großen Ampelkreuzungen unterbrochen, die mich mit ihren verblüffend kurzen Rotphasen stets aufs Neue reinlegen, kaum habe ich die Stiefel auf die Straße gestellt, geht es schon weiter.
Der Fiesta vor mir ist noch bei dunkelgelb rüber, aber ich bleibe brav stehen, schon um einmal den Dubs zu entlasten. Eine BMW GS hält neben mir, der Fahrer grinst frech zu mir rüber und ruft: "Wo ist Pieps?"
Ich fasse es nicht, keine Sau kennt mich, aber jeder kennt Pieps. Wir verabreden uns spontan auf einen Kaffee an der nächsten Tankstelle. In Lingen finden wir eine AVIA mit einem Kaffeeautomaten und ich erfahre, dass Martin, so heißt Pieps' Bekannter, zwar schon lange unsere Reiseberichte liest, auch wenn er bisher nicht kommentiert hat.
Nur mit Mühe kann ich verbergen, wie stolz ich bin, über meine Reiseseite erkannt worden zu sein, dabei freue ich mich wie verrückt und außerdem kann ich die Pause gut gebrauchen.
Martin und ich verabschieden uns. Er hat noch eine große Rundtour vor sich und ich will endlich zu Funny. Sie hat mir nicht nur einen Platz in ihrem Gästezimmer, sondern auch ein Abendessen versprochen. Und vielleicht, nur ganz vielleicht, kann ich sie überzeugen, mich ein Stück auf meiner Reise zu begleiten.
Die Kilometer werden immer länger und trotz des tollen Airhawk Kissens weiß ich kaum noch, wie ich sitzen soll. Das ist am Anfang einer Reise immer so, zuletzt hab ich im September auf dem Motorrad gesessen, als ich aus Masuren zurück war und das Motorrad von der Inspektion geholt habe.
Misstrauisch sehe ich zum Himmel. Das Blau zwischen den Wolken wurde in der letzten Stunde immer weniger und inzwischen haben die Wolken ihre Struktur verloren und sind eine fast homogene, dunkle Masse, ein sicheres Zeichen für Regen.
Ein Blick auf das GPS am Lenker zeigt, dass es noch etwa 35 km sind bis Grefrath. Ob ich das noch trocken schaffe? Kurz darauf fallen die ersten schweren Tropfen und ich nutze die Chance, bei AVIA in Sonsbeck eine Kaffeepause einzulegen.
Noch weiß ich nicht, dass Funny ihre eigene Methode hat, um den Zeitpunkt meiner Ankunft zu bestimmen: "Ich hab auf Wetter-Online geguckt und als die Regenwahrscheinlichkeit über 75% ging, bin ich an die Tür gegangen."
Beim Ausziehen der Regenkombi entdecke ich einen nassen Fleck auf der Jacke. Irgendeine Bauchfalte - an der Regenkombi natürlich - wo sich das Wasser sammelt und durch den Reißverschluss der Kombi gesickert ist.
Dazu trinken wir Kölsch, das es in Kiel vom Fass nur im Birdcage gibt. Wir flegeln uns zu dritt aufs Sofa, Funny, ihr Mann und ich, während Pieps und Özlem auf dem Sofa herumhopsen.
Wir unterhalten uns über unsere Lieblingsthemen, Motorradfahren, Camping und Outdoor, während ich Käse und Oliven in mich hineinstopfe.
"Hättest du denn Lust, einen Tag mitzukommen?", schaue ich Funny fragend an.
"Wir fahren nach Belgien. Ich habe einen ganz schönen Campingplatz gefunden in Eupen direkt am Ufer der Weser", versuche ich sie zu überzeugen.
Funny braucht nicht lange überzeugt zu werden, denn ihre Ausrüstung ist längst gepackt und sie hat auch schon die schönste Strecke für uns geplant. Wir werden noch einen kleinen Umweg machen und Sudda, eine Bloggerfreundin, besuchen.
Wir gehen noch einmal in die Garage, die Enduros besuchen, weil ich Greenys Kette ölen will. Vor einiger Zeit bin ich auf dünnes Sprühöl umgestiegen, das sich wunderbar auf der Kette verteilt, aber bei Regen auch schneller abwäscht als Fett. Mich stört das nicht, ich öle die Kette ohnehin jeden Abend frisch ein.
Funny zeigt mir das Gästezimmer und ich glaube es nicht: Da steht dasselbe Poster von Miss Golightly, das auch bei mir zu Hause überm Bett hängt. Und ich brauche nicht einmal das Zelt aufzubauen, denn ein Gästebett gibt es auch.
Gute Nacht, Funny, gute Nacht, Welt.
zum nächsten Tag...
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Die Anreise ist ein wenig langweilig, aber das soll ab morgen besser werden, schließlich ist Belgien das Heimatland der Pommes Frites, wie eine gewisse Maus nicht müde wird, zu betonen: "Die ham ja die Pommes erfunden, näh...?!"