Reise in die Bretagne Tag 1: Kiel - Lörrach Tag 2: Lörrach - Langres Tag 3: Langres - Gien Tag 4: Gien - Saumur Tag 5: Saumur - Pontorson Tag 6: Mont Saint Michel Tag 7: Cancale - Trébeurden Tag 8: Lannion - Brest - Chateaulin Tag 9: Chateaulin - Concarneau Tag 10: Pont Aven - Südbretagne Tag 11: Salzgärten von Guérande Tag 12: Saint-Nazaire - Surgères Tag 13: Cognac - Jumilhac-le-Grand Tag 14: Jumilhac-le-Grand Tag 15: Jumilhac-le-Grand - Murol Tag 16: Château de Murol Tag 17: Murol - Camp Le Gouffre Tag 18: Vercors - Chartreuse Tag 19: St.Claude - Camp Cibourg Tag 20/21: Cibourg - Lörrach - Kiel
Bretonische Verhältnisse
Kommissar Dupins erster Fall führte ihn ins beschauliche Pont Aven, wo Monsieur Pennec, der Inhaber des Hôtel Central ermordet worden ist. Ein interessanter Fall, doch bevor Pieps und ich den Tatort besuchen, brauchen wir Kaffee und Croissants.
So früh am Morgen ist das Café de Ville noch geschlossen, aber auf der Terrasse vor dem Hotel Roz Aven ist schon Betrieb. Ein älterer Herr sitzt beim Frühstück und liest die Zeitung. Er nickt mir freundlich zu, als ich am Nebentisch Platz nehme und verwickelt mich sogleich in ein angeregtes Gespräch über etwas, das in der Zeitung steht.
Mein "Je ne parle pas ich sprech kein Französisch", stört ihn dabei nicht die Bohne. Ich lasse ihn gewähren, denn mich stört er auch nicht. Er hat eine angenehme Stimme.
Das Croissant ist erstklassig, wie so oft in Frankreich. Allein der Grande Café ist wieder nur ein Tässchen und ich fülle es großzügig mit heißer Milch auf. Dabei sollte ich froh sein, denn im Verhältnis zu einem italienischen Espresso ist das hier geradezu ein Eimer, aber das kann ich jetzt noch nicht wissen, weil ich erst im September mit dem Autozug nach Verona fahre.
Ich sitze in der Morgensonne und genieße das Frühstück. Der Aven fließt träge dahin und nicht einmal die festgemachten Boote bewegen sich in der Strömung. Auf dem anderen Ufer steht die Bank, auf der Kollege Dupin gerne sitzt, wenn er Ruhe zum Nachdenken braucht.
Ein Vorhaben, das in Gegenwart von Jungkommissarin Pieps: "Alles Verbrecher, näh?!", von vornherein zum Scheitern verurteilt ist und so mache ich mich auf den Weg zum Tatort.
Im richtigen Leben lautet der Name des Hotels Les Ajoncs d'Or, aber der Maler Paul Gauguin hat tatsächlich hier gewohnt und gemalt zu einer Zeit, als er eben noch nicht der berühmte Maler Paul Gaugin war. Vor diesem Hintergrund spielt Dupins erster Roman.
Der Tatort gibt nicht viel her, wie das oft so ist, wenn man Film- oder Romanorte im richtigen Leben betrachtet. Wie schon beim L'Amiral in Concarneau hatte ich mir ein älteres, ein ehrwürdigeres Gebäude vorgestellt, aber das mag auch an Pieps und meiner blühenden Fantasie liegen. Allein die Hinweistafel an der Mauer erinnert an den berühmten Gast.
Kunst und Kekse. In meinem Leben spielt beides nur eine Nebenrolle, aber in Pont Aven sind sie von großer Bedeutung. Das Verhältnis zwischen Kunstgalerien und Keksgeschäften beträgt etwa zwei zu eins und tatsächlich parke ich direkt vor dem Laden von Isidore Penven, einem bekannten Biscuitier, einem Keksbäcker also.
Inzwischen ist der Ort erwacht und auch die ersten Reisebusse halten auf dem Parkplatz am Markt. Ich habe genug Eindrücke aus dem malerischen Pont Aven gesammelt. Am schönsten war das idyllische Frühstück in der Sonne mit Blick auf den Fluss.
Nur wenige Kilometer hinter Pont Aven führt eine kleine Stichstraße hinunter an das Ufer des Bélon. Der kleine Küstenfluss ist nur 26 km lang, aber weltberühmt für seine Austern. Ich möchte die berühmte Zucht der Huitrières du Chateau de Bélon besuchen.
Im vierten Band, Bretonischer Stolz, schlägt Dupin eben dort sein Hauptquartier auf und erklärt einen der Holztische kurzerhand zur Einsatzzentrale. Es geht um einen Mord im Milieu der Austernzüchter und wie in jedem der Fälle um Commissaire Dupin erfährt man eine Menge über einen bestimmten Aspekt der Bretagne, in diesem Fall über Austern.
Daher weiß ich, dass die Bélonaustern durch die Gezeiten zweimal täglich von Salz- und dann wieder von Süßwasser durchströmt werden und deshalb besonders aromatisch und leicht nussig schmecken sollen. Nun, wir werden sehen.
Ich parke das Motorrad am Ende der Straße und gehe die letzten Schritte hinunter ans Ufer des Bélon, wo die Wasserbecken der Austernzucht liegen.
Die Muscheln reifen in großen Netztaschen, die auf Gestellen in den Fluss gehängt werden. Allein der Anblick der verkrusteten Taschen und der Geruch von Moder, Brackwasser und Blasentang machen Appetit auf ein zweites Frühstück. Es gibt Austern.
Die Huitrières du Chateau de Bélon residieren tatsächlich in einem alten Schloss über dem Bélon. Ein Durchgang in der Mauer führt in den Innenhof, wo ein junger Mann eifrig damit beschäftigt ist, Austern zu öffnen. Im Hintergrund ein Wasserbecken, in dem die Muscheln bis zum Schluss gewässert und am Leben gehalten werden.
Ich bestelle für Pieps und mich ein halbes Dutzend Austern mit Zitrone. Leider darf ich keinen Wein trinken, bzw. wird dieser hier nur flaschenweise verkauft. Dabei bin ich sicher, dass erst ein Glas Weißwein die rohe Auster perfekt macht.
Mit unserer Beute setzen wir uns an einen der derben Holztische im Garten. Die Muscheln sind viel kleiner, als die großen Atlantikaustern, die ich in Concarneau gegessen habe.
Mit der kleinen Gabel schabe ich sorgfältig das Fleisch von der Schale. Pieps überlässt mir großzügig den ersten Bissen und auch alle anderen. Tatsächlich, ich bemerke es: Diese Austern schmecken anders, aromatischer, besser und mit ein wenig Fantasie sogar etwas nussig. Das halbe Dutzend kostet knapp 5 Euro.
Für heute sind Pieps und ich fertig mit unseren Ermittlungen und machen Feierabend. Über Quimperlé und Hennebont fahren wir weiter in das östliche Ende der Bretagne.
Die Menschen in den kleinen Orten sind genervt vom Durchgangsverkehr. Man darf nur 30 fahren und sie setzen üble Speed Breaker ein. Sleeping Policemen, die jedem Raser mit Achsbruch drohen. Selbst auf der hochbeinigen Enduro sind sie eine Qual. Sollen sie doch wegziehen, denke ich, als ich zum hundertsten Mal in den Rasten aufstehe, um eine der Schwellen zu überfahren. Jedesmal klappert der Metallbecher hinten am Gepäck.
In Vannes halte ich gerade lange genug, um Fleisch, Wein und Käse zu kaufen und ein Foto der Kathedrale zu machen, deren Mauern im Schräglicht so plastisch hervortreten.
Acht Kilometer vor dem Campingplatz springt Greenys Tachostand um auf 50.000 km. Meine Güte, in wie vielen Ländern wir schon unterwegs waren und was wir nicht alles schon erlebt haben, Greeny, Pieps und ich. Dabei sind die nächsten beiden Reisen bereits in Planung, Autozüge und Fähren längst gebucht und bezahlt.
Kurz darauf rolle ich auf den Parkplatz vor der Rezeption von Camping du Deffay. Die Sonne scheint und es ist wunderbar warm, fast schon heiß. Absolutes Premiumwetter. Ich freu mich richtig, gleich unser tolles neues Zelt aufzuschlagen.
Die junge Frau am Check-In Schalter heißt Elisabeta und ist die Tochter des Campbesitzers. Sowie die Formalitäten erledigt sind, führt sie mich auf dem Platz herum. Ein weitläufiges Parkgelände mit viel Rasen für Zeltcamper. Ich entscheide mich für eine abseits gelegene Stelle im Schatten eines alten Baumes.
Zum Abendessen gibt es frische Schweinekoteletts, gebraten in Olivenöl an einem Bett von Ohne-was-dazu. Ich liebe meine Campingküche, die auf jede Form von Sättigungsbeilagen verzichtet und nur das Wesentliche auf den Teller bringt, das, was dem Menschen wirklich schmeckt. Dazu ein Glas Rotwein und später etwas Käse.
Morgen nehmen wir unseren zweiten Jokertag. Wir wollen ins Salz fahren zu den Paludiers, den Salzbauern der Bretagne. Dabei habe ich das Gefühl, längst alles darüber zu wissen, seit ich Bretonisches Gold gelesen habe, den vierten Band der Dupin Reihe. Es ist unglaublich, was man im Zuge von Dupins Ermittlungen alles über den Salzabbau erfährt, aber ich möchte mir das Becken persönlich ansehen, in dem der Kollege beschossen wurde und auch ein paar Fotos von frisch geerntetem Fleur de Sel machen.
Aber zuerst einmal gibt es jetzt ein knuspriges Schweinekotelett...