Reise nach Island
Tag 1: Kiel - Silkeborg
Tag 2: Silkeborg - Hirtshals
Tag 3: Hirtshals - Norröna
Tag 4: Shetlands - Färöer
Tag 5: Seyðisfjörður - Möðrudalur
Tag 6: Vormittag: Zur Askja
Tag 6: Nachmittag: Zur Herdubreid
Tag 7: F88 - Dettifoss - Ásbyrgi
Tag 8: Ásbyrgi - Myvatn
Tag 9: F26 - Sprengisandur
Tag 10: F821 - Akureyri - Blönduos
Tag 11: Kjölur - Kerlingarfjöll
Tag 12: Kjölur-Geysir-Pingvallavatn
Tag 13: Pingvallavatn - Holmavik
Tag 14: Holmavik - Flokalundur
Tag 15: Svalvogur - 622
Tag 16: Flokalundur - Budardalur
Tag 17: Budardalur - Pingvellir
Tag 18: Selfoss - Landmannalaugar
Tag 19: Landmannahellir - Vik
Tag 20: Vik - Skaftafell
Tag 21: Skaftafellsjökull
Tag 22: Skafta - Eislagune - Höfn
Tag 23: Höfn - Djupivogur
Tag 24: Djupivogur
Tag 25: Djupivogur - Seyðisfjörður
Tag 26-29: Heimreise
Fazit der Reise
Platzhalter Motorradreise Island
Platzhalter Motorradtour Island
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
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Der Sturm

Das Zelt reißt an den Leinen. Nordwind. Stärke 9. Ein sonniger Tag bei 6 ˚C. Meine Nachbarn sehen fasziniert zu, wie ich den letzten Zelthering aus dem Boden ziehe. Ob sie wohl davonfliegt? In Dänemark und anderswo wäre sofort jemand beigesprungen, um zu helfen, so wie man es eben macht, wenn eine Hand gebraucht wird. Hier dagegen dumpfe Teilnahmslosig­keit. Eine merk­würdige Gesellschaft, die sich allabendlich in den isländischen Camps zusammenfindet.

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Für heute haben Pieps und ich wieder das Hotelfrühstück gebucht. Die Honda parke ich mit der Nase gegen den Wind, sie würde sonst umkippen. Die Sturmböen sind mörderisch.

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Im Speisesaal ist es noch ruhiger als gestern. Ich trinke den ersten Kaffee und arbeite mich durch die gewohnten Gänge des Buffets: Lebertran, Brot, Butter, Hering und am Ende eine Portion Honig gegen den tranigen Nach­geschmack. Meine Güte, muss das Zeug gesund sein.

Mit frisch gefetteter Kette geht es vollgetankt, gefrühstückt und bester Laune zurück aufs Festland. Wir verlassen die Westfjorde.

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Der Wind ist an der Grenze dessen, was ich mit dem Motorrad noch fahren kann, ohne von der Straße geweht zu werden. Ich halte die Honda in der Mitte der Straße und bekomme trotzdem jedesmal einen Schreck, wenn eine Sturmböe unsere Spur um einen Meter versetzt.

Mit jeder Kurve wechselt der Wind die Richtung. Anzuhalten ist keine Alternative. Als ich einmal stoppe, um ein Foto zu machen, werden wir beinahe umgeblasen. Die Honda ist hochbeiniger als ich und so lässt sich das Stativ meiner Beine nicht weit genug zur Seite ausfahren. Hastig lasse ich die Kupplung kommen und fahre wieder los. Das war knapp. Erst ab 50 km/h ist die Fuhre stabil genug, um sicher durch den Sturm zu reiten.

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Die Straße führt an einem Sandparkplatz für Angler vorbei. Ein geparkter Pickup ist mit zwei Schiffstauen an einem Erdanker festgemacht. Nicht einmal Autos sind gegen diesen Sturm gefeit.

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Inzwischen ist mir schweinekalt. Der Wind pustet die Wärme aus dem Körper. Ich brauche dringend eine Pause und will raus aus dem Sturm. Ganz unerwartet taucht ein Schild Café am Straßenrand auf. Ich setze den Blinker, rolle auf den Parkplatz und stelle die Maschine im Windschatten vorm Eingang ab.

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Ich hole Pieps aus dem Tankrucksack und gehe mit ihr zusammen ins Café. Drinnen ist es bullig warm. Ich liebe die nordische Tradition der konsequent überheizten Räume. Das sorgt für Geborgenheit. Zuhause mache ich es ebenso, aber mein kleines Zimmer ist auch schnell geheizt.

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Die Dame am Tresen strahlt vor Herzlichkeit. Sie ist eine dieser natürlich freundlichen Menschen und zeigt mir, wo die Kaffeekanne steht. Ich kaufe ein Stück Streuselkuchen und eine leere Tasse, die ich nach Herzenslust mit Kaffee vollpumpen und immer wieder lenzen darf.

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Die Nordmenschen haben ein natürliches Verhältnis zu Filterkaffee. Das merkt man bereits in Norwegen, wo es an den Tankstellen die berühmten Jahresbecher zu kaufen gibt. Man kauft einmal einen solchen Becher und darf an jeder Tankstelle dieser Kette kostenfrei den Becher füllen, Kaffee, Kakao, Brühe, was auch immer. Die haben schon manchen Biker gerettet. Vor dem Erfrieren und vor der völligen Pleite.

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Irgendwann muss ich zurück in die Kälte, aber ich bin so durchgewärmt, voller Kaffee und Heizungsluft, dass mir die Temperatur egal ist. Außerdem wird es allmählich wärmer, das Thermometer zeigt schon 10 ˚C.

Der Himmel bezieht sich. Es sieht nach Regen aus und gleich zu Beginn der nächsten Schotterstrecke ziehe ich vorsorglich die Regensachen an. Wenn das Unwetter losgeht, gibt es hier ein Matschorama und ich will mir die Motorradsachen nicht total einsauen.

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Mein Tagesziel heißt Budardalur an der Straße 60 aus den Westfjorden zurück nach Zentral Island. Es gibt da nichts Besonderes, außer dem einzigen Campingplatz entlang meiner Strecke. Aber wie soll ich bei dem Wetter ein Zelt aufbauen? Dagegen wehte auf Laugafell bloß ein laues Lüftchen und das war die Grenze dessen, wobei man alleine noch ein Zelt aufstellen kann.

Die Entscheidung wird mir abgenommen: Der Zeltplatz ist wegen des Sturms geschlossen. Die Wiesen sind mit Flatterband abge­sperrt. Nur zwei Wohnwagen stehen im Windschatten der Rezeption.

So erfahren ich beim Campen bin, so ahnungslos bin ich mit Pensionen, Hotels und Guest Houses. Die paar Nächte, die ich dort verbracht habe, haben bisher schlicht noch kein Muster mit Dos and Don'ts der Zimmer­über­nachtung ergeben. Beim Zelten weiß ich: Stell es nicht in eine Senke! Zelte nicht unter einem Baum! Aber im Hotel? Worauf kommt es an, was tut man da, und worauf muss man achten? Was ist teuer, was ist billig? Die könnten mir an der Rezeption mühelos zwei Hektar Sumpfland verkaufen und ich würde es nicht merken.

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So winzig Budardalur mit seinen 261 Einwohnern auch ist, sie haben nicht nur einen Campingplatz, sondern auch eine Tankstelle, Restaurants, Cafés, einen Supermarkt und ein Guest House. Bloß keine Unsicherheit zeigen, denke ich, als ich die Tür zum Dalakot Guesthouse aufstoße und selbstsicher zum Tresen stiefele.

"Good Day. I would like to stay for one Night, please."
"Single Room is 75 Euro, breakfast included."
"I´ll take it", sage ich lässig. Dabei kann ich mein Glück kaum fassen, dass überhaupt ein Zimmer frei ist und es außerdem so billig ist. Ich hatte bisher nur von dreistelligen Preisen in Island gehört.

Das Zimmer ist ziemlich genau zehn Quadratmeter groß, blitzsauber und hübsch eingerichtet, soweit man bei drei Möbelstücken schon von einer Einrichtung sprechen kann: Ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett.

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Das Badezimmer liegt auf dem Gang, aber das stört mich nicht die Bohne. Heute ist seit dreizehn Tagen die erste Dusche und eine Haarwäsche fällig. Hingebungsvoll seife ich mich ein, shampooniere mein Haar und knete die Kurspülung ein, die seit Kiel im Tankrucksack mitreist. Lange bevor ich fertig bin, hat sich das Bad in ein Feuchtbiotop aus Dampf, beschlagenen Spiegeln und nassen Handtüchern verwandelt. Ich glänze, wie ein rosa Schweinchen, als ich meine Sachen wieder anziehe.

Nasse Haare trocknen nirgends besser, als im Wind, denke ich. Pieps und ich machen noch einen kleinen Spaziergang, bevor wir zum Abendessen gehen. Das Wasser im Fjord ist windgepeitscht und trägt weiße Schaum­kronen. Der Sturm hat ein wenig nachgelassen, aber er dürfte noch immer irgendwo zwischen Stärke 7 und 8 liegen.

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Von Doris und Rolf, zwei befreundeten Bikern, die ich auf der Fähre getroffen habe, erfahre ich später, dass sie sich einen SUV mit Anhänger organisiert haben, der ihre Motorräder aus der Windzone transportiert hat. Ein französischer Enduropilot dagegen hat es nicht durch die Sturmzone geschafft. Er wurde von der Straße geweht und soll ums Leben gekommen sein. Allerdings finde ich dazu in der Iceland Review keine Meldung.

Inzwischen begreife ich mehr und mehr, dass nicht Regen der Feind ist, sondern Sturm. Dabei habe ich mir um Wind früher nie groß Gedanken gemacht. Wind eben, die Brötchentüte fliegt weg. Die Hauptsache ist doch, nicht nass zu werden. Oder ist es nicht?

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Gegen Abend gehe ich mit Pieps hinunter ins Restaurant, das nicht nur bei den Gästen im Dalakot beliebt ist. Ich beziehe mit Pieps den letzten freien Tisch, einen winzigen Zweier am Fenster. Das Hauptgericht im Dalakot scheint Pizza zu sein, aber uns ist nach etwas Handfestem.

Nach einer kurzen, aber nicht minder hitzig geführten Diskussion darüber, ob Eiscreme, Pommes und Ketchup ein vollwertiges Abendessen sind, oder nicht - ich: "Nein!", Pieps: "Wohl!" - entscheiden wir uns für Lamm­koteletts mit Kartoffeln, Salat und Sauce Bernaise.

Das Essen schmeckt ganz ausgezeichnet, auch wenn ich mir für 25 Euro durchaus eine größere Portion erhofft hatte. Zwanzig Kartoffelschnitze und drei winzige Lammkoteletts. Mit Knochen.

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Man mag unsere Verzweifelung daran ablesen, dass sogar der Salat mitgegessen wird. Am Ende ist der Teller blitzblank. Dabei geht es schlicht ums Überleben. Wir sind beide noch nicht satt, aber ich bin zu geizig, jetzt auch noch Pizza zu bestellen.

Wir ziehen uns früh aufs Zimmer zurück, weil im Tankrucksack ein paar sehr verlockende Dinge auf uns warten. Da müsste sogar noch ein Skyr und eine Tüte Erdnüsse sein, meint Pieps.

Gute Nacht, Welt.

zum nächsten Tag...

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Das war ein reichlich öder Tag, aber im Vergleich zu den Touren durchs Hochland und um die Seegurke, ist jeder Tag auf Asphalt, an dem es nicht etwas Besonderes zu besichtigen gibt, etwas öde. Ich bin gespannt, was uns morgen erwartet...



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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.