Die Küstenstraße Fv17
Motorradfahren im Regen hat durchaus seinen Reiz, wenn man wasserdicht verpackt seine Bahn über die nassen Straßen zieht und das gleichförmige Dröhnen des Motors unter sich spürt. Das stumme Warten im strömenden Regen dagegen ist grässlich und deprimierend.
Ich stehe in der Schlange vorm Anleger und warte auf die Fähre nach Rørvik, kaum zweihundert Meter von der Stelle entfernt, an der ich gezeltet habe. Während die Autofahrer bei laufendem Motor im geheizten Wagen sitzen und von Zeit zu Zeit ein Wischer sanft über die Scheiben gleitet, fühle ich mich ausgeschlossen, fast einsam.Zeit für trübe Gedanken? Nein, denn in Wahrheit möchte ich keine Sekunde missen. In meiner Regenkombi bin ich eingehüllt wie in einen Kokon. Auf der Haut trage ich eine dünne Schicht Merinowäsche, darüber Fleece und dann meine dicke Endurojacke und die alte Motorradhose aus Cordura und Büffelleder. Ich bin warm und trocken eingepackt, habe weder Hunger noch Durst, mir geht es prima. Es ist der Blick durch das nasse Visier in diesen trüben Morgen, der mir einen Streich spielt und mich runterziehen will, aber das lasse ich nicht zu.
Mit dem Motorrad stehe ich kurz darauf ganz vorne im Bug, wo das Fahrzeugdeck nicht überdacht ist. Ich stelle die Enduro mit eingelegtem Gang ab und suche mir einen Platz an der Bordwand. Den Helm lasse ich auf und öffne nur das Visier einen Spalt, damit es nicht beschlägt. Einige Fahrzeuge stehen während der gesamten Überfahrt mit laufendem Motor, ohne dass jemand besondere Notiz davon nimmt.
Nach der Fähre führt die Straße einige Kilometer am Fjord entlang, bis sie schließlich nach Norden abbiegt in die Berge. Zwei Stunden lang fahre ich durch ein tief eingeschnittenes Tal und sehe lange Zeit keinen Menschen. Die Einwohnerdichte liegt hier unter 1 Einwohner pro km² und nur selten begegnet mir ein anderes Fahrzeug.
Gegen Mittag erreiche ich Malm, ein Dorf mit kaum 1600 Einwohnern, das völlig bedeutungslos wäre, gäbe es da nicht die ESSO Tankstelle und den Supermarkt, wodurch es in dieser Abgeschiedenheit zum Mittelpunkt der Region wird.
Ich tanke das Motorrad voll und gehe zum Bezahlen hinein. Seit gestern habe ich nichts gegessen und die Sandwiches in den dreieckigen Plastikboxen, die ich sonst keines Blickes würdige, sehen heute sehr verführerisch aus, so dass ich nicht widerstehen kann und eines davon zu meinem Kaffee bestelle. Während ich das Egg og Bacon Sandwich in mich hinein mampfe, bemühe ich mich krampfhaft, die 71 Kronen nicht in Euro umzurechnen.
Kurz hinter Malm biege ich auf die Fv17 ein, der ich bis nach Bodø folgen werde. Sie gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt und schon nach wenigen Kilometern verstehe ich, wie sie zu diesem Ruf gekommen ist, denn die Strecke und die Landschaft, durch die sie führt, ist wahrlich grandios.
Fleisch ist in Norwegen teuer, aber ein Kollege hatte mir Flintsteaks empfohlen, die seien gut und günstig. Neugierig nehme ich eines der Pakete in die Hand und bin erstaunt, wie billig es ist, knapp sechs Euro pro Kilo, dabei sieht es total lecker aus, große Scheiben mit viel Fett und einer dicken Schwarte drumherum. Ich frage mich wirklich, wo der Haken ist.
Als ich aus dem Supermarkt komme, sind die dunklen Wolken weitergezogen. Eine Stunde hinter Namsos ist die Straße schon wieder trocken und ich halte an einem Flussufer, um die Regenkombi auszuziehen. Kokon hin oder her, es ist ein schönes Gefühl, endlich aus dem Gummianzug heraus und wieder an die Luft zu kommen.
Hinter einer Kuppe taucht das Dorf auf und ich entdecke sofort die Leuchtreklame der Tankstelle. Ich schalte zwei Gänge runter und gebe Vollgas. Vergessen sind das ängstliche Spritsparen und der feige Drehzahlgeiz. Jetzt kommts nicht mehr drauf an, denn gleich läuft wieder das gute Super in den Tank.
Schon von weitem entdecke ich den nächsten Fähranleger, wo in diesem Moment das Schiff nach Vennesund einläuft. Ich gebe kräftig Gas, damit ich auf jeden Fall noch mit an Bord komme. Hinter einer Linkskurve geht es auf den Anleger, wo gerade die ersten Fahrzeuge an Land rollen, während vielleicht ein Dutzend Fahrzeuge darauf wartet, an Bord zu dürfen.
Nach einer Viertelstunde kommt Vennesund in Sicht und die Fähre schippert ganz dicht am Campingplatz vorbei. Sofort weiß ich, wo mein Zelt stehen soll, direkt an der Uferkante zum Fjord. Von dort werde ich einen tollen Blick aufs Wasser und auf die Schiffe haben.
Während ich mit nassen Haaren zurück zum Zelt gehe, merke ich, wie schön warm es inzwischen geworden ist, es sind sicher 15°. Das nasse Handtuch hänge ich auf eine Leine, die ich zwischen Zelt und Motorrad gespannt habe. Es ist erstaunlich, wieviel Wasser das kleine Handtuch aufnehmen kann und wie schnell es danach wieder trocknet.
Ich stelle den Kocher ins Gras, lege den Tankrucksack als Tisch daneben und haue das Flintsteak in die Pfanne. Während der große Fleischlappen im heißen Fett allmählich braun wird, öffne ich die Dose Bier und die Schachtel mit dem Fetakäse.
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Das war ein schöner Reisetag und der erstklassige Zeltplatz am Fjord ein wahres Highlight. In zwei Tagen überquere ich den Polarkreis und ich bin schon sehr gespannt darauf, wie sich die Landschaft verändert.