Die Åland Inseln
"Good Morning! Coffee ready?", trompete ich fröhlich in den Raum, als ich das kleine Café betrete. Die beiden Frauen hinterm Tresen sehen verblüfft auf, aber ich habe so gute Laune, dass ich sie daran teilhaben lassen muss und als Zugabe lege ich noch ein Tausend Watt Guten Morgen Lächeln oben drauf.
Als Polizistin sollten Donuts eigentlich Grundnahrungsmittel sein, aber anders als die Fernsehcops, esse ich keine. Heute aber mache ich eine Ausnahme, immerhin sind die in Fett gebacken.
Ich kaufe einen Donut, schenke einen Becher Kaffee voll und setze mich an einen Tisch. Das Gebäck ist noch heiß und schmeckt prima zu dem starken Kaffee im Ranthuone Café.
Ich frage die Frauen nach dem Weg zu den Åland Inseln und erfahre, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Acht, oder neun Kilometer die Straße runter komme ich zum Fähranleger, dem ersten von Vielen.
Die Ålands sind ein Archipel tausender Inseln, die zwischen Finnland und Schweden in der Ostsee liegen. Durch geschicktes Insel Hopping über Dämme und Fähren gelangt man trockenen Fußes bis nach Schweden, wo man irgendwo in der Gegend von Stockholm wieder an Land kommt.
Vor der Planung meiner Reise hatte ich nie zuvor von den Ålands gehört, aber jetzt bin ich sehr gespannt auf die Inseln, von denen einige nicht größer sind, als der Garten meiner Tante.
Zehn Minuten später die nächste Fähre. Ich stelle mich in der Schlange an und warte. Ein Kassierer geht von Fahrzeug zu Fahrzeug und verkauft Tickets für die Überfahrt. Für fünf Euro löse ich ein Jahresticket für alle Åland Fähren. Ich bekomme ein Plastikarmband, das ich um mein Handgelenk lege und mit dem ich ein Jahr lang freien Zugang für die Benutzung aller Fähren habe. Mit fünf Euro hätte ich in Norwegen nicht mal einen Hotdog kaufen können.
"About thirty-five minutes", lautet seine Antwort und fügt hinzu: "There is coffee upstairs".
Im Salon auf dem Oberdeck gibt es frisch gebrühten Kaffee. Vorsichtig trage ich den randvollen Becher zu einem Fensterplatz, damit ich rechtzeitig sehe, wann es Zeit ist, wieder nach unten zu gehen.
Ich bin schon kurz vor der Fähre, als plötzlich das Typhon losgeht und mich fast vom Motorrad bläst. Ich mache eine Vollbremsung und sehe steil nach oben. Auf der Brücke steht ein Mann, der mich energisch zurückwinkt und dabei nicht sehr freundlich wirkt. Offensichtlich darf ich noch nicht an Bord.
"Dann macht gefälligst die shice Schranke zu, ihr Leichtmatrosen!", bölke ich nach oben, aber ich glaube, der hört mich gar nicht. Mit klingenden Ohren wende ich das Motorrad und fahre zurück auf Los.
Wie alle Fahrpläne, so ist auch dieser nicht auf den ersten Blick verständlich. Es kann doch unmöglich sein, dass es nur drei Überfahrten pro Tag gibt, oder? Die Erste morgens um sieben, die Zweite um viertel nach drei und die letzte abends um acht.
Ich schaue auf die Uhr, es ist genau Mittag. Das bedeutet, dass ich jetzt drei Stunden und fünfzehn Minuten in der Kälte stehen und auf die Abfahrt des Schiffs warten muss, das direkt vor mir am Kai liegt. Inzwischen hat irgend jemand auch die Schranke davor geschlossen.
Der Fehler liegt ganz bei mir, eine Erkenntnis, die meine Laune auch nicht gerade bessert. Als ich die Reise geplant habe, war schnell klar, dass die Åland Fähren alle paar Minuten fahren und man sich um die Zeiten nicht zu kümmern braucht. Ja, alle bis auf diese. Hmpff...
Zwei Stunden sind vergangen und trotz meiner dicken Klamotten bin ich völlig durchgefroren und außerdem tun mir die Füße weh, weil ich stoisch neben meiner Maschine stehe und nach vorn auf das Schiff starre.
Ein kleineres Fährschiff, ein offener Kahn mit wenigen Autos an Deck, will seitlich am Pier anlegen, aber der Wind ist so stark, dass es drei Versuche braucht, bis es gelingt. Immer wieder drückt der Wind das Schiff zur Seite weg. Froh über die Ablenkung, schaue ich interessiert zu und mache ein paar Fotos.
Zum Festmachen gibt es keine Seile, sondern man soll seine Maschine unter dem Rahmen mit Holz verkeilen. Bei der uralten Goldwing hinter mir funktioniert das wunderbar, aber Greeny ist viel zu hochbeinig und der Keil liegt wirkungslos unter dem Motorrad und sieht irgendwie verloren aus.
Während ich noch sinniere, wie ich das Motorrad sichern könnte, wird die Rampe hydraulisch angehoben und in die Waagerecht gefahren. Ich beschließe, das Problem zu ignorieren, mir ist noch nie ein Motorrad umgefallen. Mit einem Achselzucken drehe ich mich um und mache mich mit Pieps auf die Suche nach dem Salon.
Ich studiere das Angebot auf der Tafel, aber keines der Gerichte sagt mir etwas. Åland ist zwar autonom, gehört irgendwie doch zu Finnland, aber die Amtssprache ist Schwedisch. "Wienerkoo", das klingt so ähnlich wie Wiener Schnitzel und das ist zufällig eines meiner Lieblingsgerichte. Ich gebe meine Bestellung auf, bezahle und setze mich auf einen Platz in der Nähe, wo ich auf mein Essen warte.
Zufrieden blicke ich auf die Warteschlange vorm Tresen, die sich inzwischen über das halbe Deck windet. "Tja, ihr Lieben", denke ich, "rechtzeitiges Erscheinen sichert die besten Plätze."
Kurz darauf wird meine Nummer aufgerufen und eine Kellnerin bringt mein Essen, aber was ist das? Auf dem Teller liegt kein knusprig gebackenes Wiener Schnitzel, sondern vier blasse Würstchen der übelsten Sorte auf einem Bett wässeriger Pommes Frites. Ich sollte unbedingt an meinem Schwedisch arbeiten.
Kennt ihr die Sorte Billigwürstchen aus der Dose, die innen fast flüssig sind und außer pürierten Hufen und Schweinenasen vermutlich kein Eiweiß enthalten? Das ist genau die Sorte Essen, die ich nicht meinte, als ich schrieb, dass ich nur noch gute Dinge essen will.
Die finnischen Biker, es sind ungefähr ein halbes Dutzend, sitzen gemeinsam an einem Tisch und trinken Lapin Kulta. Als ich mich umsehe, habe ich den Eindruck, dass ich der einzige Mensch an Bord bin, der kein Bier trinkt. Das sind wirklich fröhliche Menschen, die Finnen.
Die Schlange vorm Tresen ist verschwunden und ich organisiere mir ein Stück Apfelkuchen, um endlich den Geschmack der Würstchen loszuwerden. Inzwischen sitze ich fast alleine im Salon. Wo sind die alle hin, wir legen doch erst in einer Stunde an?
In diesem Moment fällt mir siedend heiß ein, dass ich die Uhr in meinem Handy nicht umgestellt habe und Finnland in einer anderen Zeitzone liegt, nämlich GMT+2. Wir sind längst da!
Minuten später rolle ich aus dem Schiff hinaus in den strahlenden Sonnenschein. Das Wetter hat sich total verändert, es ist jetzt warm und sonnig mit einer leichten Brise. Es macht Spaß, über die vielen kleinen Inseln zu fahren, von denen manche nicht mehr sind, als flache Felsen im Wasser, die mit Dämmen verbunden sind.
Im großen Pulk aller Fahrzeuge, die an Deck waren, fahren wir über die Inseln. Überholmanöver sind sinnlos, weil die Strecke so kurvenreich ist, dass man niemals alle schafft und außerdem stehen wir am nächsten Fähranleger doch wieder zusammen.
Geduldig schleiche ich hinter einem Laster mit schwedischen Kennzeichen her, als plötzlich der Typ auf seiner Fireblade mit kreischender Maschine an uns vorbei rast. Welch ein Blödmusiker! Na gut, seine Karre hat hundertfünfzig PS mehr als Greeny und außerdem hat er Lapin Kulta getrunken und ich nur Kaffee, aber tut das not?
Da vorne! Da ist er wieder. Er hängt hinter einem Wohnmobil fest und fährt viel zu dicht auf, um vernünftig daran vorbeisehen zu können. So, Baby, jetzt zeigt die Mama dir mal einen.
Ich schalte vom Sechsten runter in den Vierten und gebe Vollgas. Wenn ich es geschickt anstelle, dann kriege ich die gesamte Schlange noch vor der nächsten Kurve, denn soweit ich den Fahrplan im Kopf habe, kommt jetzt eine Weile nichts von vorn.
Adrenalin schießt mir ins Blut, während ich Greeny weiter beschleunige und die gesamte Kolonne inklusive Fireblade in einer sehenswerten Aktion aufrauche. Ich kippe die Enduro in die Kurve und lasse sie auf der Geraden dahinter gemütlich auslaufen.
Sekunden später kreischt die Honda erneut an mir vorbei. Ich schüttele nur den Kopf, denn diese hirnlosen Heizer kann ich nicht ausstehen. Und außerdem hat er längst verloren.
Ich kaufe zwei große Entrecotes mit mächtigen gelben Fettaugen, eine Dose Champignons, eine Rolle Marabou Mint und zwei Dosen Carlsberg. Mit der Aussicht auf das Festessen brennt mir jeder Kilometer bis zum Campingplatz unter den Nägeln. Es ist zwar nicht mehr weit, aber ich bin nicht sicher, ob ich Pieps vertrauen kann, die mit der Marabou ganz allein im Tankrucksack sitzt.
Es ist schon zwanzig Uhr, als ich das Motorrad vor der Rezeption abstelle. Für hundertachtzig Kilometer war ich elf Stunden unterwegs. Jetzt bin ich ziemlich erledigt und will nur noch Entrecote, Schlafsack und Bier.
Weit und breit ist niemand zu sehen und die Tür der Anmeldung ist verschlossen. Auf einem Schild steht, man solle sich selbst einen Platz suchen und am Morgen zum Einchecken kommen.
In einiger Entfernung steht ein VW Bulli und ein Stück weiter am Wasser eine Hütte, die ich nicht zuordnen kann. Erst etwas später am Abend, als nackte Menschen aus der Hütte kommen und ins Meer rennen, werde ich verstehen, dass es die Sauna ist, aber das kann ich jetzt noch nicht wissen. Finnen...!
Ich öffne die Dose Champignons, gieße das Wasser ab und lege sie zu den Steaks in die Pfanne. Das ist nach langer Zeit mal wieder ein richtiges Premiumessen und ich genieße jeden einzelnen Bissen. So gutes Fleisch hatte ich lange nicht.
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Die Åland Inseln sind eine Reise wert, auch wenn das Insel Hopping viel Zeit kostet. Sie sind ein perfekter Weg nach Finnland, machen Spaß und kosten nur einen Bruchteil dessen, was die Fähre Travemünde - Helsinki kostet.