Heimkehr und Fazit
Im Urlaub kann man nicht verschlafen, schließlich hat man Urlaub, und trotzdem bin ich heute Morgen zu spät, denn als ich um halb zehn am Speisesaal ankomme, wartet bereits eine lange Schlange hungriger Passagiere auf ihr Frühstück.
Das Buffet ist in einer langen Reihe hinter dem Tresen aufgebaut. Große Edelstahlwannen voller Leckereien warten auf uns. Zur Begrüßung wird ein Glas Sekt gereicht.
Auf Schiffen wird häufig in Schichten gegessen, weil nicht genug Platz ist, um alle Passagiere gleichzeitig zu versorgen, aber noch bevor unsere Schicht vorbei ist, sind Pieps und ich völlig erledigt: Nach der höllisch scharfen Chilisauce schmeckt eine gewisse Maus überhaupt nichts mehr und ich hätte vielleicht zwei, oder drei Eier weniger essen sollen.
Wir legen in wenigen Minuten an und ich beeile mich, meine Sachen zu schnappen und unter Deck zu kommen. Das Fahrzeugdeck wird jeden Moment aufgeschlossen.
Ich cruise gemütlich auf der Strandallee durch Scharbeutz. Der Strand mit dem puderfeinen, beinahe weißen Sand, die Strandkörbe, das flache, klare Wasser. Hier ist mir jeder Meter so sehr vertraut. Nicht weit von hier bin ich geboren und aufgewachsen.
Bis nach Kiel sind es etwa 80 km. Ich fahre vorsichtig, denn die Gegend ist berüchtigt für die zahlreichen Wildunfälle. Die meiste Zeit bleibe ich unter 80, obwohl ich am liebsten Gas geben und nach Hause heizen würde.
Claudia hat mich längst sehnsüchtig erwartet und wir tun das, was wir nach einer solchen Reise immer tun: Wir schließen uns in die Arme, drücken uns fest aneinander und heulen erstmal eine Runde, wie alte Tanten das so tun, wenn sie sich freuen und erleichtert sind, dass wieder einmal alles gut gegangen ist.
Das Baltikum, Fazit
Noch lange nach meiner Rückkehr habe ich keine Antwort gewusst auf die wichtigste Frage von allen: "Wie wars denn?" Heute, ein halbes Jahr später, nachdem ich alles niedergeschrieben habe, Fotos gesichtet, sortiert und ausgewählt wurden und ich alle Notizen genau studiert habe, kann ich sagen: "Es war wunderbar."
Litauen, Lettland und Estland, die wir so gerne in einem Begriff, dem Baltikum, zusammenfassen, sind drei sehr ähnliche und zugleich völlig unterschiedliche, eigenständige Länder. Was allen Dreien gemeinsam ist, sind die freundlichen Menschen. Ich habe mich in allen drei Ländern sehr wohl gefühlt und zu keinem Moment unsicher.Litauen ist das Größte und hat mir sehr gut gefallen: Druskininkai mit seiner blauen Kirche Freude für alle Bekümmerten, der Grukas-Park, Burg Trakai und nicht zuletzt der Berg der Kreuze. Soviel Sehenswertes in einer Landschaft, die auf weiten Strecken an Masuren erinnert.
Von Lettland habe ich weniger gesehen. Es ist bereits viel skandinavischer als Litauen und weit dünner besiedelt. Die russische Vergangenheit war mir dort auch nicht mehr so präsent wie in Litauen. Die Küste Kurlands ist sicher sehenswert, aber ich komme von der Ostsee und wollte etwas Anderes sehen.
Das wahre Highlight der Reise war für mich Estland. Ich hatte gelesen, dass es ein Land von Burgen, Schlössern und Herrenhäusern ist, aber niemals hätte ich gedacht, dass es so viele davon gibt. Man braucht sie nicht zu suchen, man findet sie auch so einfach links und rechts am Wegesrand.
Die interessanteste Gegend war für mich der Peipussee, wo die Armut fast mit Händen zu greifen ist, aber auch Narva, wo sich Ost und West gegenüberstehen. Wenn man dann die Küste entlang nach Westen fährt und auf die Insel Saaremaa übersetzt, fühlt man sich nach Skandinavien gebeamt. Saaremaa ist kaum zu unterscheiden von den schwedischen Inseln Øland und Gotland. Mir hat es auf Saaremaa gut gefallen, auch wenn es schon sehr westlich und touristisch ist.
Straßen und Schotterpisten
Sehr viele Straßen sind noch ohne Asphalt. Man kann Dutzende, wenn nicht Hunderte von Kilometern auf Schotter- und Naturpisten Endurowandern. Manche Pisten waren in keinem guten Zustand und man musste erst sein Tempo finden, um die wellblechartigen Pisten möglichst schmerzfrei zu überstehen, aber trotzdem ließen sie sich auch mit einer Harley fahren.
Dafür sind die Landstraßen im Baltikum ‐ und das gilt für alle drei Länder gleichermaßen ‐ ziemlich langweilig zu fahren. Perfekter Asphalt schnurgerade durch eine wenig abwechslungsreiche Landschaft aus Feldern, Wiesen und Wäldern. Vermutlich macht das auf einem Cruiser am meisten Spaß. Auf der Enduro war es langweilig.
Tankstellen und Versorgung
Das Tankstellennetz ist dichter als in Deutschland, bezahlen konnte man bar und mit Kreditkarte. Die großen Supermärkte sind top modern, das Angebot erstaunlich. Die Campingplätze sind noch deutlich unterhalb des ADAC 5-Sterne Einzelwaschkabinen Standards, aber es gibt Ausnahmen und immer mehr Plätze sind schon nah am westlichen Standard. Die Versorgung mit WiFi ist so selbstverständlich und kostenlos, wie bei uns die mit Trinkwasser.
Eine Motorradreise ins Baltikum ist ein Abenteuer, aber ein ungefährliches. Die Verkehrsdichte ist eher dünn, bezahlt wird bequem mit dem Euro, Endurowandern ist überall möglich, weil es niemanden stört und man findet alle Tankstellen, Supermärkte, Camps und Hütten, die man sich als Motorradreisender wünscht.
Und doch sind Litauen, Lettland und Estland für mich eine fremde Welt, die ich mit großen, neugierigen Augen bestaunt und fotografiert habe. Das Baltikum ist eine Motorradreise wert.
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Das war unser Sommer im Baltikum. Demnächst geht es hier weiter mit einer neuen Reisestory, wenn Pieps und ich nach Skagen reisen, an die Nordspitze Dänemarks ...