Galway und Achill Island
Mit einem Rest wohliger Bettwärme am Körper ziehe ich den Reißverschluss des Zeltes auf und werfe einen Blick nach draußen. Der Himmel sieht dramatisch aus. Wie in Independence Day mit den Monsterwolken, kurz bevor das erste Raumschiff über Manhattan auftaucht.
In Kinvara fahre ich auf eine Tankstelle, weil ich ein Schild 'Fresh Made Sandwiches' sehe, aber das ist eine Mogelpackung. Sie verkaufen nur die üblichen Plastikdreiecke, die es auch zuhause an jeder Tanke gibt. Inzwischen bin ich Besseres gewohnt: Ich möchte frische, warme Jambons.
So trinke ich nur einen Kaffee aus dem Automaten und hebe mir das Frühstück für später auf. Nächster Halt ist Galway, drittgrößte Stadt Irlands und Metropole der Gegend.
'Attention new Road Layout ahead' verkünden mehrere große Leuchttafeln, als ich bei strömendem Regen auf der vierspurigen Straße nach Galway hineinfahre. Zwei große, neue Roundabouts werden gebaut und es herrscht das totale Verkehrschaos.
Außer den Warnschildern gibt es keinerlei Verkehrslenkungs- oder Sicherungsmaßnahmen. Die Bauarbeiter rennen wie ein Rudel Gurken zwischen den Autos herum und versuchen, ihre Arbeit zu machen. Dabei drohen sie jede Sekunde, überfahren zu werden.
Nichts geht mehr. Wer sich traut, fährt, die Übrigen können warten bis zum St. Nimmerleinstag. Ich taste mich durch den Stau nach vorne und heize im Blitzstart durch eine kleine Lücke im Querverkehr. Galway ist das reine Chaos heute morgen und jetzt habe ich mich auch noch verfahren. Die Karte ist im Tankrucksack nicht zu erkennen und der Kompass wird von der Regenkombi verdeckt.
Unter dem Vordach am Eingang stelle ich das Motorrad ab und ziehe die Regenkombi aus. Ich muss unbedingt wissen, wie das Wetter in den nächsten Tagen wird und rufe Claudia zuhause in Kiel an. Für die Westküste Irlands zeigt Wetter Online die verhasste schwarze Wolke mit den drei Tropfen an, die Höchststrafe.
Ich setze mich in die Mall und kaufe mir einen Becher Kaffee und eine Sausage Roll zum Frühstück, aber nicht einmal das kann meine Laune bessern. Soll ich die Irlandreise hier abbrechen? Oder vom Zelt auf B&B umsteigen?
Ich bin unentschlossen. Bis jetzt hat Irland mir nicht so gut gefallen, dass ich nicht ebensogut abbrechen könnte, aber eine falsche Entscheidung aus schlechter Laune heraus würde die ganze Reise gefährden. Ich muss nachdenken.
Ich tue etwas, das sich immer sehr bewährt hat, wenn ich mies drauf bin: Ich kaufe mir Klamotten. Drei Leggings später, pink, mocca und schwarz, geht es mir schon deutlich besser und ich fasse einen Plan: Ich fahre einfach straight weiter, genauso, wie ich es geplant habe.
Wenn ich jetzt umkehre, oder auf Hotelzimmer ausweiche, werde ich mir später wie ein Weichkäse vorkommen und es immer bereuen, heute aufgegeben zu haben.
Zuerst aber decke ich mich noch mit einem besonderen Essen für den Abend ein und schreite in deutlich aufgehellter Laune in die Fleischabteilung.
Bei dem Mistwetter belohne ich mich mit Entrecotes aus 'Organic Irish Beef'. Gibt es auch anderes?
Bevor ich aus Galway starte, fette ich erneut die Kette der Kawasaki und fahre danach in voller Regenmontur in Richtung Nordwesten. Mein Tagesziel heißt Achill Island.
Die Strecke auf der R336 von Maam Cross über Leenaun und die N59 über Westport nach Achill Island muss bei gutem Wetter ein Genuss sein. Ich sehe Torfgruben, ein Castle und einen Wasserfall, aber die kleine Lumix ist unter drei Schichten Kleidung regensicher verstaut.
Die Fahrt nach Achill Island (Infobox) macht trotzdem Spaß. In völliger Einsamkeit fahre ich durch die Heidelandschaft und sehe immer wieder Torfgruben links und rechts. Torf wird in Irland bis heute als Brennstoff zum Heizen und Kochen genutzt.
Meine Stimmung hingegen ist wieder ganz prima. Während ich das Zelt aufstelle, regnet es munter weiter, aber das macht nichts. Ich freue mich auf mein trockenes Bett und auf ein Premium Abendessen. Nach kurzer Zeit bin ich fertig und mache es mir gemütlich.
Das Abendessen ist ganz prima und an den Entrecotes nichts auszusetzen, aber eigentlich hätte ich jetzt lieber Fischstäbchen mit Kartoffelpüree. Wenn ich könnte, würde ich mit dem Fuß aufstampfen. Pieps versteht das.
Wie sich die Gefühle ändern. Heute morgen wollte ich noch nach Hause fahren und jetzt liege ich satt und zufrieden im Schlafsack und bin pikiert, weil meine Reise nur noch knappe drei Wochen dauern wird. Versteh einer die Weiber...
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