Inhaltsverzeichnis
Anreise
Tag 1: Kiel - Esbjerg
Tag 2: Harwich - Adderbury
Tag 3: Adderbury - Pencelli
Irland
Tag 4: Pencelli - Rosslare
Tag 5: Rosslare - Clonmel
Tag 6: Clonmel -Skibbereen
Tag 7: Beara Peninsula
Tag 8: Ring of Kerry - Dingle
Tag 9: Dingle Peninsula
Tag 10: Cliffs of Moher
Tag 11: Galway und Achill Island
Nordirland
Tag 12: Achill - Lough Erne
Tag 13: Giant's Causeway
Tag 14: Mountains of Mourne
Irland
Tag 15: Wicklow Mountains
Tag 16: Rathdrum
Tag 17: Die Wicklows - Rosslare
Wales
Tag 18: Pembroke - Cardigan
Tag 19: Cardigan - Disserth
Tag 20: Disserth - Porthmadog
Tag 21: Porthmadog
Tag 22: Porthmadog
Tag 23: Snowdonia Rundtour
Tag 24: Brecon Beacons
England
Tag 25: Pencelli - Cotswolds
Tag 26: The Cotswolds
Tag 27: Highfield Farm
Heimreise
Tag 28: Harwich International Port
Tag 29: Esbjerg - Kiel
Fazit der Reise Platzhalter Route Irland 2012
Platzhalter Route Irland 2012
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Info: Ring of Kerry
Ring of Kerry nennt sich eine Pano­ra­ma­straße an der Küste der Halbinsel Iveragh. Ihre Länge beträgt bis zu 200 km.
Route Irland 2012 Platzhalter Die Straße darf von Bussen und LKW nur entgegen dem Uhr­zeiger­sinn befahren werden. Aufgrund ihrer Popu­larität herrscht auf der Ring­straße mitunter starker Verkehr.
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Info: Gallarus Camping
Europas westlichster Campingplatz, Gallarus Camping, am Rand der westlichen Welt.

Das Camp liegt in der entle­gen­sten Ecke der Dingle Peninsula und grenzt an das Gelände der Gallarus Oratory an, einer fast 1.400 Jahre alten früh­christliche Kirche.

Aufgrund der guten Beschilderung ist der Platz von Dingle aus leicht zu finden.

Die Waschhäuser sind sehr sauber und modern und bieten sogar Einzel­wasch­kabinen. Es gibt eine geräu­mige Camperkitchen, die mit Tischen, Stühlen, Herd und Mikrowelle ausge­stattet ist.

Preis 2012: Mit Zelt und Motorrad habe ich alleine 10 € bezahlt.

Würde ich dort noch einmal zelten?
Ja. Die Zelt­plätze sind ausge­zeichnet und die Waschräume ebenso. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt.

Tipp: Nur 200 m vom Camp liegt das Gallarus Oratory Visitor Centre, wo es ein nettes Café mit selbstgebackenen Kuchen gibt.



Ring of Kerry

Bei Regen im Zelt Es regnet als ich an diesem Morgen im Zelt die Augen aufschlage. Es ist nur ein ganz leichter Regen, aber der Himmel sieht böse aus, während ich auf dem Weg zum Waschhaus bin, einer halb­offenen Bretter­bude ohne Türen.

Gerade als ich mit Zähneputzen durch bin und ans Eingemachte gehen will, kommt ein Mann herein. Ein Mann?

Ja, denn auf Peacock Camping gibt es keine getrennten Waschhäuser, Klos oder Duschen. Nicht mal Lokuspapier...

Ok, das ist wirklich hochmodern, aber hätte der Typ sich nicht ein Hemd anziehen können? Warum halten alte Silberrücken nur so gerne ihren weiß behaarten Oberkörper in die Landschaft? Ist das irgend so ein Männerding?

Dankend verzichte ich auf den Feinwaschgang, gehe zurück zum Zelt und mache den Reiß­ver­schluss von innen zu. Während ich den Schlafsack in seinen Packsack stopfe und die Therm-a-Rest zusammenrolle, wird der Regen stärker. Jetzt sitze ich im besenreinen Zelt, neben mir die gepackte Ortlieb Tasche und den Tankrucksack und mag nicht rausgehen, um im strömenden Regen das Zelt abzu­bauen.

"Showtime, Babe", feuere ich mich selbst an und lege einen 1A Blitzstart hin. Ich ziehe die Motorradsachen an, setze den Helm auf und baue in Windeseile das nasse Zelt ab. Hoffent­lich kann ich es heute abend im Trockenen aufbauen. Nach meiner Planung zelte ich dann schon am Ring of Kerry.

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In Regenkombi und Melkerhand­schuhen starte ich in den Tag. Die Route führt zurück nach Kenmare zum Shopping Centre, wo ich schon gestern ein­ge­kauft habe. Das Motorrad stelle ich unter das schmale Vordach am Eingang, das gerade breit genug ist, um mich trocken aus der Regenkombi zu pellen.

Motorradfahren bei Regen

Die kleine Mall bietet einen erstklassigen, beheizten Waschraum, der großzügig mit Papier, Seife und Hände­trockner ausgestattet ist. In aller Ruhe hole ich dort meine Morgentoilette nach.

Zurück in der Mall öffnen gerade die Geschäfte rund um den SuperValu. Eine junge Frau in Bäcker­kleidung, die auch bei diesem Wetter ein erstaunlich fröhliches Gesicht macht, öffnet ein kleines Café, das Bia Bia. Nachdem sie Tische und Stühle herausgestellt hat, geht sie hinter den Tresen und schaltet den großen Kaffee­auto­maten ein.

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Ich setze mich an einen Tisch am Fenster, hänge die Motorradjacke über den Stuhl und gebe meine Bestellung auf: "Coffee and toast, please". Die Atmosphäre in der Passage ist so ruhig und entspannt, als gingen die Uhren hier langsamer als zuhause in Kiel.

Die Geschäftsleute, die eben ihre Läden geöffnet haben, stellen jetzt die Verkaufs­ständer heraus und unterhalten sich. Einige ältere Leute kommen herein, schütteln ihre Regenschirme aus, und setzen sich an die Tische vor dem Café.

Das Bia Bia ist der perfekte Platz an diesem regnerischen Morgen. Warm und trocken sitze ich bei Kaffee und Toast, während draußen der Regen die Scheiben herunterläuft.

Es macht Spaß, den Menschen zuzusehen, wie sie sich unterhalten, stumm die Zeitung lesen, oder zum Einkaufen in den SuperValu gehen. Durch das Café kann ich in die halboffene Backstube hineinsehen, wo die junge Bäckerin dabei ist, Scones zu backen.

Bia Bia Kenmare Shopping Centre

Der Kaffee ist wirklich klasse und ich bestelle einen weiteren Becher. Großzügig gieße ich heiße Vollmilch hinein, die in einer Kanne auf dem Tresen steht. Ich setze mich zurück an meinen Tisch und warte auf besseres Wetter.

Zwischendurch rufe ich Claudia an, damit sie etwas über das Bike Festival in Killarney heraus­findet. Wie lange dauert es und ist ein Motorradcorso über den Ring of Kerry geplant?

Mein Reisetagebuch habe ich auf den aktuellen Stand gebracht. Ich spitze den Bleistift noch einmal an und packe meine Sachen zusammen. Nach meiner Landkarte ist Kenmare heute der letzte große Ort auf der Route und deshalb nutze ich die günstige Gelegenheit und kaufe gleich hier im SuperValu ein. Auch ohne Kühlung wird sich das Essen bis heute abend im Tankrucksack halten.

In der Fleischabteilung entdecke ich Irish Angus Rib Eye Steaks, 21 days matured, und außerdem ein äußerst attraktives Sirloin Steak. Nacheinander landen noch Garlic Potatoes, eine Dose Birnencider, Cadbury Flake, eine Flasche Wasser, Taschentücher und eine neue Haarbürste in meinem Korb.

An den Kassen ist so früh noch wenig los und ich kann meinen Einkauf ohne zu warten aufs Laufband legen. "How you doin'?" begrüßt mich die Kassiererin, die ein Schild mit dem Namen Jeannette auf ihrer roten SuperValu Bluse trägt. "Not too bad", antworte ich mit meinem neuen Standardsatz und sehe zu, wie Jeannette die Einkäufe über den Scanner zieht: Steaks - piep, Potatoes - piep, Flake - piep, Cider - pieeeeeeep! Sie zieht die Getränke­dose erneut über den Scanner und wieder ertönt das abweisende Pieeeeeep!

Für einen Moment sind wir beide ratlos, bis sie auf ihre Armbanduhr sieht und erklärt: "Sorry, it isn't half past ten yet". Ich verstehe nur Railwaystation und sehe Jeannette ratlos an. An meinem perplexen Gesichtsausdruck erkennt sie, dass ich den Zusammenhang nicht verstehe und erläutert: "The register doesn't take any alcohol until before 10.30. That's a law in Ireland. You wannta wait? It's only 17 minutes."

"No, thank you. I don't need it that bad. Hands don't even tremble, yet." Sie lacht und die beiden Handwerker auch, die geduldig in der Schlange hinter mir warten und kein Zeichen von Ungeduld zeigen, während ich mir Irland erklären lasse. Ok, also kein Alkohol in Irland vor 10.30 Uhr. Das kann ich mir merken.

Irish Beef and Potatoes

Irgendwann fällt mir nichts mehr ein, womit ich mich noch beschäftigen könnte und ich fahre weiter. Bevor ich die Stadt verlasse, tanke ich bei ESSO noch einmal voll.

Es fällt ein ergiebiger Regen und auf den Straßen stehen Pfützen von lehmig gelbem Wasser. Hinter Kenmare biege ich schon auf den Ring of Kerry ein. Diese 180 km lange Panora­ma­straße über die Kerry Peninsula, wird immer wieder als absolutes Highlight jeder Motorrad­reise durch Irland genannt und ich bin schon neugierig und voller Erwartung.

Ring of Kerry

Der Regen ist inzwischen so stark geworden, dass ich anfangs noch nicht viel sehen kann. Mein Visier ist nass und ich wische immer wieder mit den Handschuhen darüber, aber es ist auch von innen beschlagen. Ich muss über 80 fahren, damit das Wasser vom Visier perlt und es nicht von innen beschlägt. Ein Tempo, das ich bei diesem Wetter und der kurvenreichen Strecke kaum erreichen kann.

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Immer wieder halte ich an, um Fotos zu machen. Ich ziehe die Gummihandschuhe aus und setze den Helm ab, um die Kamera darin vor Regen zu schützen. Trotzdem habe ich Angst um die kleine Lumix. Sie ist nicht wasserdicht.

Endlose Kilometer spule ich im Regen ab und die Kawasaki schnurrt zwischen 4000 und 6000 U/min vor sich hin. Der Verbrauch hat sich bei 3,2 l eingependelt. Ein toller Wert und damit relativiert sich auch der 7,7 l Tank der KLX, zumal ich den kleinen 1,5 l Reservekanister mithabe, den Claudia mir letztes Jahr für Schottland geschenkt hat.

Die neuen Heidenau K60 Reifen, die ich für die Tour aufgezogen habe, begeistern mich. Sie rollen so geschmeidig ab und sind auch bei Regen in den engen Kurven des Ring of Kerry eine Bank. Außerdem ist der Benzinverbrauch um 5-7% gesunken im Vergleich zu den Grobstollern, die ich sonst fahre.

Ring of Kerry

Inzwischen regnet es immer stärker und die ersten Autos, die mir entgegenkommen, haben ihre Scheibenwischer auf höchste Stufe gestellt und wedeln heftig mit den Wischern. Eingehüllt in meinen dicken Cocon ziehe ich unbeirrt meine Bahn. Unter der Regenkombi aus PVC trage ich die Endurojacke mit Goretexmembran und eine Büffellederhose, darunter eine hauchdünne Windjacke von Bergans, darunter die leichte, rote Fleecjacke und darunter Funktionswäsche und ganz innen im Kern sitzt warm und trocken eine kleine Svenja. Trotz der guten Ausrüstung ist Svenja in missmutiger Stimmung, denn vom Ring of Kerry sieht sie nur wenig. Zu schlecht sind die Sicht und das Wetter.

In Glenbeigh fahre ich unter das schützende Dach einer Tankstelle und fülle für 110 km 3,5 l Superbenzin nach. Ich hätte noch längst nicht tanken müssen, aber ich möchte für eine Weile aus dem Regen heraus, er nervt. Im Shop der Tankstelle gibt es wieder eine sagenhaft gute heiße Theke und ich entdecke eine neue Leckerei für mich: Jambons. Ein Jambon ist eine hammerfettes, heißes Blätterteiggebäck, das mit gebratenen Zwiebeln, Schinkenwürfeln und etwas Frischkäse gefüllt ist. Es schmeckt absolut mega lecker.

Wie ein gerade aufgetauchtes Tiefseeungeheuer stehe ich tropfend mit nassen Haaren in meiner Regenkombi an der Kasse und bezahle den Jambon und einen großen Becher Kaffee. "How's the forecast for tomorrow?", möchte ich von der Frau an der Kasse wissen. "Wetter", gibt sie einsilbig zurück. Sie ist genauso mies gelaunt wie ich.

Mit dem heißen Kaffee und dem Jambon stelle ich mich nach draußen unter das Dach der Tankstelle und auch wenn es regnet, genieße ich doch jede Sekunde. Dieses Gefühl, ganz auf sich allein gestellt zu sein, weit weg von zuhause, Motorrad, Zelt, der Regen, Kaffee und Gebäck, unter dem Dach einer Tankstelle, während die Autos im Regen vorbeiziehen, das berührt mich tief und ist so besonders und ganz wunderbar.

Während ich an dem heißen Kaffee nippe, bekomme ich eine SMS von Claudia aus der Heimat. "Festival dauert 3 Tage. Ride Outs sind geplant."

Dennoch habe ich bisher nur wenige Biker auf dem Ring gesehen. Vier Harleyfahrer stehen in schwarzen Lederklamotten vor einem Tea Room und warten auf besseres Wetter. Regen­kombis zu tragen verbietet sich für sie aus demselben Grund, weshalb Bruce Willis keine Pumps trägt: Passt einfach nicht zum Image.

Kamera hat Wasser gezogen

Mit dem Ring of Kerry bin ich durch. 120 km nichts gesehen, sieben Regenfotos gemacht und wie ich gerade merke, ist das Objektiv von innen beschlagen und macht nur noch Nebelfotos. Ich verlasse Kerry und fahre weiter auf die Dingle Peninsula.

Auch auf Dingle regnet es munter weiter und mein Bauchnabel meldet Wassereinbruch im Untergeschoss. Offenbar habe ich den Klett über dem Reißverschluss nicht ganz glatt gestrichen und jetzt ist Wasser hineingelaufen. Damit sollte die Membran in den Motorrad­sachen leicht fertig werden, aber meine Meinung über Membranklamotten wird bestätigt: Die ganze Idee taugt einfach nichts.

Dingle Peninsula

Die Lederhose wird langsam nass. Welch ein shitty, shitty shice Tag. Ich werde sauer und mein Kampfgeist ist geweckt. Jetzt will ich es wissen: Heute abend werde ich zelten und wenn es Kuhshice regnet. Damit verstoße ich sogar gegen zwei meiner eigenen Regeln: 1. Ich baue nicht im strömenden Regen auf und 2. schon gar nicht, wenn ich das Zelt vorher bereits nass eingepackt habe.

Aber heute will ich es mir beweisen, selbst wenn ich mühelos in eines der zahlreichen B&B gehen könnte, die auch nur 30 € kosten und dafür sogar ein Frühstück anbieten. Ja, schon, aber kann ich da vielleicht den Kocher auf den Teppich stellen und meine Rib Eyes braten, häh...?!

Ich fahre in den entlegensten Winkel der Dingle Peninsula auf einen Campingplatz mit dem geheimnisvollen Namen Gallarus Oratory. Der Platz ist wunderschön gelegen mit einem herrlichen Blick über die Bucht. Dem sonderbaren Namen werde ich später noch auf den Grund gehen, aber jetzt möchte ich so schnell wie möglich mein Zelt aufschlagen und raus aus den nassen Sachen.

Gallarus Oratory Camping Irland

Die Rezeption ist im Wintergarten des Haupthauses untergebracht und als ich die Schiebetür öffne, fühle ich mich sofort wie zuhause, denn die alte Dame am Empfang ist von so herzer­frischender Unfreundlichkeit, dass ich mich wie in Deutschland fühle.

Ich zahle 10 € und darf mir selbst eine Pitch aussuchen. Es stehen schon mehrere Zelte auf den unteren Wiesen mit einem schönen Ausblick auf die Bucht, aber das sind keine guten Plätze, denn wenn es so weiterregnet, wird es dort in wenigen Stunden ziemlich hässlich aussehen.

Eine Zeltwiese gibt es, dort steht noch niemand. Sie liegt ungefähr zwei Meter über den anderen frei im Wind und bietet ebenfalls einen schönen Blick. Bis hier das Wasser steht, sind die anderen längst im Boot unterwegs. Da werde ich mein Lager errichten.

Zelt bei Regen aufbauen

Wenn man bei Regen ein Zelt aufbaut, dann muss es schnell gehen, sonst regnet es die ganze Zeit hinein und das Innenzelt wird nass. Während ich letztes Jahr in Schweden noch völlig verzweifelt war, kenne ich mein Zelt inzwischen wie im Schlaf.

Ich lasse die Regenkombi an und den Helm auf. Nur die Handschuhe ziehe ich aus, um besser greifen zu können. Ab jetzt muss jeder Handgriff sitzen. Jede Unsicherheit, jedes Herumstochern, zweimal nach demselben Gegenstand greifen, jede Verzögerung also, führt dazu, dass es länger in das ungeschützte Innenzelt hineinregnet, bevor endlich das schützende Außenzelt ein Dach bildet und alles dicht ist.

Ich schnalle den blauen Zeltsack vom Motorrad, werfe ihn ins Gras, öffne den Rollverschluss und schüttele den Inhalt heraus. Deutlich schneller noch als vor einer Woche habe ich das Außenzelt drauf und mein Lager ist regendicht. Jetzt habe ich Zeit.

Ich nehme den Tankrucksack und die Tasche vom Motorrad, werfe beide durch den Eingang ins Zelt hinein und pelle mich aus der Regenkombi. Zusammen mit dem Helm stecke ich sie unter die zweite Apsis und verschwinde im Zelt. Sekunden später sind alle Reißverschlüsse von innen fest zugezogen. Puh, geschafft. Ich bin total glücklich hier zu sein, 2.000 km von zuhause, und diese Herausforderung gemeistert zu haben.

Bei Regen im Zelt

Die nächste Viertelstunde gehört dem Mikrofasertuch, denn das Zelt ist innen ziemlich nass geworden und vereinzelt stehen sogar kleine Pfützen auf dem Zeltboden. Sorgfältig wische ich alles trocken und wringe das Tuch mehrmals in die Apsis aus. Erst als alles gewischt und die restliche Feuchtigkeit abgetrocknet ist, öffne ich die rote Tasche und packe das Aller­hei­ligste aus, den Dauenschlafsack. Niemals, aber auch wirklich niemals darf der nass werden.

Beschreibung Mein Tankrucksack macht mir heute wenig Freude. Auf die Regenhaube habe ich verzichtet, aber als ich die klitschnasse Pieps aus dem Tankrucksack ziehe und sie mich wütend anschaut, weiß ich, dass ich einen Fehler gemacht habe.

Alle meine Kassenzettel der ersten Tag sind so durchweicht, dass ich kaum einen davon für meinen Reise­bericht werde verwenden können.

Und auch meine Landkarten sind ein nasses Paket. Hätte es mir zu denken geben sollen, dass im Out­door­laden ausgerechnet die Irland­karte auf wasserfestem Papier gedruckt ist? Und das es in diesem Land nicht sehr viele Cam­pingplätze, dafür aber eine endlose Anzahl von B&B gibt?

im Zelt bei Regen

Mein Zelt ist inzwischen trocken und gemütlich eingerichtet und ich mache mich auf zu einem Rundgang über den Platz. Die Bergans Jacke, die ich mir für diese Fahrt gekauft habe, ist ihr Geld wert. Mit der Kapuze über dem Kopf schaffe ich es bis zum Waschhaus, ohne allzu nass zu werden. Es gibt einen kleinen Vorraum wo es angenehm nach Weich­spüler duftet und von den Wäschetrocknern schön warm ist. Hier setze ich mich an den Tisch mit den Prospekten von Failte Ireland und schreibe in mein Tagebuch.

Svenja im Waschhaus

Aus der Ferne kommt Motorenlärm näher und nach einer Weile donnern sechs schwere Maschinen am Campingplatz vorbei. Sie halten auf das Guesthouse zu. Ich kann die Marken nicht erkennen. Heute sehen Harleys aus wie Hondas und Suzukis, weil die ihre Bikes so bauen, dass sie aussehen wie Harleys. Keine Ahnung, irgendwelche fetten Cruiser (Typen und Maschinen), aber nach einer Viertelstunde kommen sie schon wieder zurück. Neun Leute ohne Buchung aussichtslos, zumal auch das Bikefestival in Kilarney stattfindet.

Ein Gutes hat der Regen: Die KLX ist wieder einmal das einzige Motorrad auf dem Platz und auch auf der Küstenstraße von Dingle sind keine Bikes unterwegs. Trotzdem ist es schade, dass zwei echte Highlights damit ins Wasser gefallen sind, der Ring of Kerry und die Küsten­straße von Dingle, von denen ich kaum etwas gesehen habe.

Ich denke, ich werde einfach solange hierbleiben, bis das Wetter besser wird. Mich erholen, einen Waschtag einlegen, lesen, schlafen und essen, denn schon in zwei Tagen soll es auf­hören zu regnen. Ich muss nur morgen einmal nach Dingle fahren, um Fleisch und Schoko­riegel zu besorgen. Aber nicht vor 10.30 Uhr, denn ich möchte auch ein Birnencider kaufen. Wie gut, dass die Geschäfte hier auch am Sonntag geöffnet haben.

Als mein Tagebuch wieder auf dem neuesten Stand ist, inzwischen auf Seite 50, lege ich mich ins Zelt und schlafe ein wenig. Es ist Abend als ich aufwache. Irgendwie ist außerhalb des Schlafsacks alles klamm und feucht. Sogar meine Haare sind noch ein wenig nass. Ich werde mich später im Waschhaus unter den Händetrockner hocken und ihn als Föhn benutzen. Jetzt regnet es schon 12 Stunden ohne eine einzige Pause. Meine Güte, haben die hier dicke Wolken in Irland.

Ich habe nicht einmal Lust, etwas zu braten und esse stattdessen ein Päckchen Kamin­wurzen, die ich noch im Tankrucksack habe. Pieps muss die übersehen haben. Außerdem ist mein Buch, The Hunger Games, so mega spannend und fesselnd zu lesen, das ich keine Zeit hätte, jetzt die Küche anzuwerfen. Katniss' kleine Schwester ist total süß und es rührt mich zu Tränen, als Katniss für sie als Tribute einspringt. Welch ein tolles Buch. Ich schmiege mich tiefer in den Schlafsack und lese im Schein der Petzl Stirnlampe weiter, während es draußen in Strömen gießt.

Pieps und Svenja schlafen im Zelt

Solange wie heute habe ich ewig nicht gelesen und um kurz vor Mitternacht bekomme ich doch noch Appetit. Ich stelle den Kocher in der Apsis ins Gras und öffne sie einen Spalt, gerade breit genug, dass der Dampf abziehen kann. Ab und zu fällt ein Regentropfen zischend ins heiße Fett.

Im Zelt Steak essen Das Sirloin Steak ist klasse, aber die Rib Eyes vom Irish Angus Beef sind geradezu anbetungs­würdig. Die Potatoes sind eine nette Beilage und passen gut dazu. Außerdem kann man mit ihnen das letzte bisschen Bratenfett aus der Pfanne aufsaugen.

Nach dem Essen krieche ich schnell zurück in den warmen Schlafsack. Abwaschen kann ich auch morgen.

Den Nachtisch nehme ich im Bett ein, Cadbury Flake und Birnen­cider. Jetzt will ich unbedingt The Hunger Games weiterlesen, das Buch hat mich voll in seinen Bann gezogen. Es ist doch unglaublich, wie dumm und naiv das Prep-Team von Katniss ist. Sehen die denn gar nicht, dass die Kinder um ihr Leben kämpfen müssen?

Ich glaube, nur Cinna hat Mitgefühl mit den Kindern, aber er darf es natürlich nicht zeigen, weil das Capitol ihn sonst fertig machen würden. Nach wenigen Augenblicken bin ich wieder so in die Geschichte vertieft, dass ich gar nicht merke, wie meine vergessene Cider allmählich ihre Kohlensäure aushaucht.

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Svenja Svendura Panic Coda iMacMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.