Mountains of Mourne
Noch bevor ich die Augen aufschlage, weiß ich, was mich erwartet. Ein neuer Morgen, derselbe ergiebige Dauerregen. Aber davon darf ich mir nicht die Laune verderben lassen. Es ist nur Wasser und ich habe die perfekte Ausrüstung, um damit fertig zu werden.
Der Tag verläuft wie andere Tage zuvor: Wasserdicht verpackt sitze ich auf der Enduro und fahre durch den Regen. Von Zeit zu Zeit wische ich mit dem Handschuh übers Visier, um einen Blick aus dem Helm nach draußen zu werfen.
Ich fahre auf der A29 in Richtung Süden, halte an Tankstellen, trinke Kaffee, fülle Benzin nach, esse Jambons und fahre weiter. Die Leute, die ich auf den Tankstellen treffe, sind genauso muffig wie ich.
Mein Schlafsack beginnt mir Sorgen zu machen. Er wird jeden Tag ein wenig feuchter und wenn die Daunen verklumpen, dann wärmt er nicht mehr. Ich brauche bald ein paar Stunden Sonne, um ihn einmal gründlich zu trocknen. Dem Zelt dagegen macht die Nässe nichts aus. Wenn auch nur ein wenig Wind weht, ist es nach dem Aufbauen im Nu wieder trocken.
Eine Stunde vor Newcastle tauchen in der Ferne von Wolken verhangen die Mountains of Mourne auf. Es ist das höchste Gebirge Nordirlands und gilt als Area of Outstanding Natural Beauty. Derzeit gibt es Bestrebungen, hier den ersten Nationalpark Nordirlands zu schaffen, ein Plan, der die Farmer, denen das Land gehört, wenig begeistert.
Auf meiner Landkarte ist der erste Campingplatz verzeichnet. Ich suche und suche, wende, sehe auf den Kompass und stehe schließlich in einer Sackgasse mit Blick auf das Harbor Inn. Nur zwei verwilderte Schafwiesen zeugen noch davon, dass es hier früher einen Campingplatz gegeben hat.
Die Lady in der Rezeption, sie erscheint mir wirklich wie eine Lady und nicht nur wie irgend eine Frau, ist sehr freundlich und ich mag sie auf Anhieb. Bis zu dem Zeitpunkt, als es ans Bezahlen geht: "Twenty pounds, please".
Ich konnte die Else gleich nicht ausstehen und ihr Lippenstift passt absolut nicht zu ihrer Bluse, die nebenbei bemerkt etwas billig aussieht.
Das sind 25 € für eine Person mit Zelt. Eine absolute Frechheit und natürlich kostet Duschen noch einmal extra. Die haben wirklich einen Vogel hier oben im Norden. Die Schlange vor der Kasse ist übrigens nicht sonderlich lang, genauer gesagt bin ich wieder einmal der einzige Campinggast auf der Zeltwiese, die vom Regen der letzten Tage so gesättigt ist, dass sich schon die ersten Pfützen bilden. Meinen Ich-trockne-den-Schlafsack-Plan kann ich damit getrost vergessen.
Nach einer kurzen Pause mache ich mich daran, den Campingplatz zu erkunden. Die dünne Bergans Regenjacke mit der Kapuze ist dabei der perfekte Wetterschutz und meine Stiefel sind sowieso wasserdicht.
Der große Trailerparkt ist nahezu verlassen. Nur ganz selten sehe ich einen Menschen und es stehen auch keine Autos auf dem Platz.
Im Laundry Room entdecke ich ein wahres Monstrum von einem Wäschetrockner, das mit Münzeinwurf funktioniert. Das ist die Gelegenheit, um meinen Schlafsack zu trocknen. Ich gehe zurück zum Zelt und hole den klammen Daunensack.
Der Trockner ist so riesig, dass selbst der große Schlafsack die Trommel nicht ganz ausfüllt. Ob ich eine Runde mitfahren soll? Nein, ich trau mich nicht.
Ich werfe eine 1 £ Münze ein und buche damit 15 min Trocknerzeit. Der große Tümmler bietet was für sein Geld: Unter beeindruckendem Gerumpel und Gepumpel setzt sich die Trommel in Bewegung und pustet heiße Luft zwischen die feuchten Daunen.
Misstrauisch beobachte ich den Vorgang durchs Fenster, die Hand ständig auf dem Not-Aus Knopf. Sollte irgendwo die kleinste Daune erscheinen, ziehe ich sofort die Notbremse. Man weiß nämlich nie, ob die Nähte das aushalten.
Als ich den Schlafsack nach einer Viertelstunde aus dem Trockner hole, ist er so flauschig, fluffig und daunig wie nie zuvor. Eilig trage ich ihn durch den Regen zum Zelt zurück und schütze ihn dabei so gut es geht mit meinem Körper.
Schneller als man "Svenja macht ein Nickerchen" sagen kann, bin ich ausgezogen und mit Pieps zusammen im Schlafsack verschwunden. Trotzdem muss ich nach einer Weile noch einmal raus, um die Sturmleinen zu setzen. Der Regen hat etwas nachgelassen, aber dafür weht jetzt ein kräftiger Wind, der mit jeder Böe die Zeltwand tief auf mein Gesicht drückt und mich geweckt hat. Ich muss anerkennend sagen, Wetter können die hier in Irland.
Gegen das miese Wetter kann ich nichts ausrichten, aber hier im Zelt ist es trocken und total gemütlich. Ich werde mir einen richtig schönen Abend machen, die Hunger Games weiterlesen, Tagebuch schreiben und mir später ein tolles Abendessen zubereiten.
In Cookstown habe ich zwei Entrecotes, ein Pfeffersteak und eine kleine Flasche dieser fantastischen HP Brown Sauce gekauft. Dazu gibt es Birnencider und Cadbury Flake. Wenn ich die Isomatte etwas näher an den Eingang rücke, kann ich sogar im warmen Schlafsack sitzen bleiben, während ich die Steaks brate. Das wird ein richtig toller Abend.
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