Cotswolds Farm Park
Von Pencelli aus führt die Straße am Brecon Canal entlang nach Osten. Immer wieder begegnen mir Narrow Boats, die schmalen Hausboote, die für diesen Kanal so typisch sind. An einer Klappbrücke halte ich an und sehe zu, wie eines der Boote die enge Durchfahrt passiert.
Das Motorrad stelle ich neben der Brücke ab und schlendere am Kanal entlang. Unter dem leisen PokPok seines Dieselmotors kommt eines der schmalen Schiffe um die Ecke. Es dient einer Familie als schwimmendes Wohnmobil.Mit großem Geschick manöveriert die Frau das Hausboot unter der Brücke hindurch, während ihre Tochter daneben steht und mit großen Augen fasziniert zuschaut. Der Papa steht im Bug und sieht rundherum zufrieden aus. Man kann sehen, dass sie glücklich sind. Fröhlich winke ich zu ihnen hinüber und alle drei winken je nach Temperament etwas verlegen, ernst, oder fröhlich zurück.
Zehn Meilen hinter Abergavenny überquere ich die Grenze nach England. Die erste Stadt auf dem Weg ist Ross-on-Wye. Es ist ein wunderschöner, sonniger Tag mit blauem Himmel über schneeweißen Schäfchenwolken. Es sind auch ein paar dunkle Schafe darunter, aber die werden heute keinen Regen mehr bringen.
Es ist erst kurz nach Mittag, aber als ich den Morrisons Superstore sehe, nutze ich die Gelegenheit, um einzukaufen. Der Markt ist sicher so groß wie unser PLAZA in Kiel.
"Any port in a storm", sage ich mir und verschwinde in der Obst- und Gemüseabteilung. Für gewöhnlich gibt es dort nichts, was ich gerne esse, aber diesmal lege ich aus guter Laune heraus einen Becher Obstsalat in den Einkaufskorb. Wenigstens probiert haben will ich Obst einmal. Man liest ja soviel Gutes darüber und ich bin gespannt, was sich dahinter verbirgt.
Beim Family Butcher gibt es eine große Auswahl der leckersten Steaks. Ich entscheide mich für zwei Entrecotes und vier British Spring Lamb Cutlets. Das Fleisch sieht klasse aus und ist nicht einmal teuer.
Während ich meinen Gedanken nachhänge, beobachte ich eine Frau, die gerade aus ihrem Landrover steigt. Sie ist Mitte 40, schlank, glattes blondes Haar zum Pferdeschwanz, Jeans, karierte Bluse, Wellington Boots, Perlenohrringe, hochmütiger Gesichtsausdruck.
Ein Typ, den ich in England schon häufiger gesehen habe. Gerade diese Mischung aus Geländewagen, Pferdemist und Edellook sieht total klasse aus. In Gedanken mache ich eine Notiz, heute abend ebenfalls meine Perlenohrringe anzulegen. Dreckig bin ich schon und den Gesichtsausdruck kriege ich hin.
Heute werde ich auf einer Farm übernachten. Der Cotswold Farm Park ist ein großer Bauernhof mit eigenem Campingplatz, der mit geschicktem Marketing den Sprung zum Erlebnispark für Familien geschafft hat.
Eine sympathischere und persönlichere Werbung habe ich nie gesehen. Auf allen Plakaten ist Adam Henson, der Farmer zu sehen, und auch die Website ist eine Klasse für sich. Die Strecke zum Farm Park ist gut beschildert, was auch dringend nötig ist, denn der Hof liegt im absoluten Nichts zwischen Wiesen und Feldern.
Langsam rolle ich über den Sandplatz, der mit Seilen in lange Parkreihen unterteilt ist. Viele Familien sind mit Kühltaschen und Kinderwagen unterwegs zum Eingang des Parks. Ich fahre zur Campingwiese, stelle die Enduro vor dem Waschhäuschen ab und öffne die Tür zur Rezeption, die in einem Container untergebracht ist.
Die Wiese ist so makellos, wie ich das inzwischen von britischen Campingplätzen gewohnt bin. Trotzdem begeistert mich das immer wieder, auch wenn ich jetzt weiß, dass es der viele Regen ist, der in England für das makellose Grün zuständig ist.
Ein kleiner Junge sieht mir zu, wie ich Greeny abstelle und mein Zelt aufbaue. "Look, Ma. The lady's on a motorbike", kräht er fröhlich über den ganzen Platz. Welch ein reizendes Kind. Ich habe es auf Anhieb in mein Herz geschlossen, nur Pieps bewacht misstrauisch ihren Cadburry Flake.
Als das Lager steht, mache ich mich auf, die Farm zu erkunden. In Jack's Kitchen gibt es ein Café, eine Kantine und einen Farm Shop. Ich mag den Laden, er wirkt durch und durch sympathisch. Besonders die schicken Uniformen der Mitarbeiter tragen zum positiven Eindurck bei. Wer immer das Outfit der Mädchen ausgesucht hat, hat Sinn für Stil bewiesen: schwarze Strumpfhose, Bluse, Ballerinas und erst auf den zweiten Blick erkennbar eine Art Manschette aus schwarzem Stretch um den Po, die nicht einmal ich als Rock bezeichnen würde. Endlich einmal geschmackvolle Berufsbekleidung.
Langsam schlendere ich über den Parkplatz zurück ins Camp. Die Trockensteinmauern sind aus dem gelben Stein, der ein Markenzeichen der Cotswolds ist. Auch die Häuser sind daraus gemauert. Er hat eine ganz typische Farbe und wird nur in dieser Gegend abgebaut. Ich bin entschlossen, dem Geheimnis des gelben Steins auf den Grund zu gehen, aber das ist ein Projekt für morgen. Jetzt ist es Zeit, sich ein wenig auszuruhen.
Um mich abzulenken fange ich an, die Küche aufzubauen, was ungefähr zwanzig Sekunden dauert: Ich klicke den Kocher auf die Gaskartusche, stelle die Pfanne drauf, gieße etwas Biskin hinein, stelle den Teller auf den Tankrucksack und fertig. Einmal mehr ist der Tankrucksack Bikertresen, Esstisch und Büro zugleich.
Zuhause trinke ich gerne einen Schluck Kochwein während ich Essen mache, aber ich habe keinen Wein und deshalb gibt es einen Becher Firsty Ferret zur Küchenarbeit. Ich sitze mit dem Dubs auf der Isomatte, trinke mein Bier und bewundere die Entrecotes, wie sie im heißen Fett in der Pfanne brutzeln.
Ich muss eingeschlafen sein, denn als ich die Augen aufschlage, steht die Sonne schon tief und das Zelt wirft einen langen Schatten über die Wiese. Ich strecke mich, ziehe die rote Fleecejacke an und stelle das schmutzige Geschirr zusammen. Mit dem Scotch Brite Schwamm und dem Laborfläschchen, in das ich zuhause etwas Spülmittel abgefüllt habe (Fairy Ultra hat sich bewährt, weil es auch mit kaltem Wasser funktioniert) gehe ich zum Waschhaus, wo ich ein Schild 'Dish Washing' gesehen habe.
Komm, Pieps, lass uns Zähneputzen gehen und dann früh ins Bett, damit wir morgen fit sind für unsere Tour durch die Cotswolds. Du darfst auch noch ein wenig lesen im Bett.
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