Worst Storms for 50 years?
Mitten in der Nacht werde ich aus dem Schlaf gerissen mit dem sicheren Gefühl, das Ende der Welt ist da. Sturmböen packen das Zelt, es ist stockfinster, ich sehe die Hand vor Augen nicht, es schüttet wie aus Eimern und ein Orkan drückt die Zeltwand bis runter auf mein Gesicht.
Fieberhaft gehe ich sämtliche Leinen und Heringe gedanklich noch einmal durch, checke alle Verbinder, Clips und Ösen. Jetzt hängt alles vom Material ab, aber etwas Glück könnte sicher nicht schaden.Falls es überhaupt einen passenden Zeitpunkt dafür gibt, dann wäre jetzt der richtige, um in Panik zu geraten. Zumindest sollte ich mich schleunigst anziehen, damit ich im Fall der Fälle nicht in sexy Unterwäsche auf der nassen Wiese stehe und meinem Zelt hinterherwinke, oder ich könnte vorsorglich im Waschhaus Schutz suchen, aber nein, aus reiner Feigheit bleibe ich im Zelt liegen, den Schlafsack bis obenhin zugezogen, und hoffe, dass nichts passiert.
Mein Salewa Denali III ist kein Hilleberg, aber trotzdem ein gutes Markenzelt. Das dünne 8 mm Alugestänge, das sonst nervt, weil es so dünn und biegsam ist wie Blumendraht, hat genau die Flexibilität, die es braucht, um dem Sturm nachzugeben und nicht zu zerbrechen.
Der große Schwachpunkt ist der Luftspalt zwischen Außenzelt und Boden. Man muss kein Genie sein, um sich vorzustellen was passiert, falls der Sturm die Lücke entdeckt und da reinfasst.
Trotzdem kann ich jetzt nichts weiter machen. Das alles habe ich gestern Nachmittag schon erledigt und ich bin froh, dass ich in der Rezeption noch diesen fetten Sturmanker aus Stahl gekauft habe. Also tue ich das, was ich am besten kann, ich schlafe weiter, jedenfalls versuche ich es.
Immer wieder wache ich auf, wenn der Orkan das feuchte Zelt in mein Gesicht presst. Erst gegen Morgen lässt der Sturm etwas nach und es bleibt ein starker, böiger Wind. Ich schlafe endlich tief und fest ein. Welch eine Pussi dieser Sturm doch ist
Um acht Uhr wird mir langweilig im Zelt und ich ziehe meine Motorradklamotten an. Heute entscheide ich mich für Mikrofaser statt Mikromini. Es hat keinen Sinn, bei diesem Wetter weiterzufahren. Ich werde noch einen Tag länger in Porthmadog bleiben. Mal sehen, ob das Big Rock schon auf hat. Mir ist jetzt nach Coffee and Toast.
Am Hafen finde ich ein weiteres Diner, was in Großbritannien keine große Leistung ist, denn hier gibt es mehr Diner, als es bei uns Döner Läden gibt. Nicht dass ich da jemals hineingehen würde!
Ich setze mich mit meinem Standardfrühstück in eine der gelben Sitzschalen, die so eng am Tisch verschraubt sind, dass ich Mühe habe, mich dazwischen zu quetschen.
Der Kaffee ist heiß und damit ist das Beste, was man über das Frühstück sagen kann auch schon gesagt.
Ich sitze am Fenster, als die große Scheibe zu vibrieren beginnt. Die Bäume biegen sich im Wind und riesige Wassermassen schütten auf die Erde herunter. Die Autos bewegen sich nur noch im Schneckentempo über die High Street, während ihre Wischer auf höchster Stufe hektisch über die Frontscheiben wedeln. Der Sturm ist zurückgekehrt.
Im größten Unwetter taumelt ein Pärchen am Fenster vorbei auf dem Weg zum Bahnhof. Sie ziehen zwei Rollkoffer hinter sich her und halten etwas über sich, das früher einmal Regenschirme gewesen sein mögen, aber jetzt nur noch bizarre, zerfetzte Gebilde sind. Die ersten Touristen verlassen das sinkende Schiff.
Den Vormittag verbringe ich in Porthmadog und vertreibe mir die Zeit. Eine Stunde lang schiebe ich den Wagen durch die Gänge bei TESCO, bis meine Haare wieder halbwegs trocken sind. Ich hasse es, mit nassen Haaren herumzulaufen.
Welch ein ätzender, verschenkter Tag das ist. Einer von vielen auf dieser Reise. Nicht zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass Motorradreisen, diese ganze Form des Urlaubs, allmählich over sind für mich. Ich habe das alles so satt und vielleicht ist Fünfzig ein gutes Alter, um endlich damit aufzuhören.
Das wird jedenfalls mit Sicherheit der letzte längere Motorradurlaub gewesen sein. Ein Kurztrip nach Dänemark oder ein Sonntag in Büsum vielleicht, aber sowas wie Schweden, Irland, Frankreich oder Wales tue ich mir nicht mehr an. Ich werde langsam zu alt für diesen Shice.
Ich mampfe das 1.500 Kalorien Monster in mich hinein und trete noch immer kauend den Rückweg an. Ich bin unruhig und möchte sehen, was von meinem Zelt übrig geblieben ist.
Zwischen Zeltboden und Ground Sheet ist Regenwasser durchgelaufen, aber das Innenzelt ist trocken. Ich war früher immer gegen eine extra Bodenplane, aber inzwischen würde ich nicht mehr ohne zelten wollen. Die modernen Zeltböden sind ohne zusätzlichen Schutz viel zu dünn, das kann man auf dem Foto gut erkennen.
Alle tausend Kilometer habe ich auf dieser Reise die Kette gespannt und inzwischen ist sie ziemlich erledigt. Die Crosserei am Strand von Rømø hat ihr nicht gut getan. Aber dafür hat es riesig viel Spaß gemacht.
Mein Schiff geht erst am nächsten Freitag. Sechs lange Tage noch und ich habe keine Ahnung, wie ich die mit Anstand herumkriegen soll. Das ist genau die richtige Laune, um morgen Abend im Pub aufzutauchen und aus vollem Hals für Deutschland zu jubeln. Vor schlechter Laune vergesse ich sogar, mein Essen zu fotografieren. Es gibt natürlich Entrecote. Der einzige wahre Lichtblick heute.
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Welch ein grässlicher Tag das war! Danke, dass ihr bis hierhin mitgelitten habt.