Harwich International Port
In der Nacht hat es munter weiter geregnet und morgens stehen erste Pfützen im Gras. Die Wiese ist total erledigt. Schade, ich hatte gehofft, das Zelt trocken mit nach Hause nehmen zu können.
Ein letztes Mal breite ich das nasse Zelt im Gras aus, lege den Gestängebeutel hinein und rolle alles zusammen, so dass es in den blauen Ortliebsack passt.
Den mitgelieferten Zeltbeutel habe ich zuhause gelassen. Er passt genau, aber nur wenn man das Zelt bei Omi im Garten zusammenlegt. Wenn man unterwegs im strömenden Regen alles hastig zusammenpfeffert wird man verrückt bei dem Versuch, das nasse Bündel in den winzigen Sack zu quetschen.
Auch heute morgen starte ich wieder in voller Regenmontur mit Melkerhandschuhen und der Regenhaube über dem Tankrucksack. Ich trödele noch ein wenig herum, um die Zeit zu strecken, denn sonst bin ich viel zu früh an der Fähre.
Gegen Mittag rolle ich in den Harwich International Port ein, der mir vom letzten Jahr noch ganz vertraut ist.
Ich vergewissere mich kurz, dass der Anleger der Esbjerg Fähre noch da ist, wo er hingehört und fahre wieder zurück zu den Geschäften am Eingang des Hafens.
Vor dem großen Schuhladen, in dem ich mir letztes Jahr diese süßen Gummistiefel mit dem Union Jack darauf gekauft habe, stelle ich das Motorrad ab. Zum ersten Mal in meinem erwachsenen Leben verlasse ich ein Schuhgeschäft, ohne etwas gekauft zu haben.
Während ich noch ganz hingerissen bin von meiner eigenen Charakterstärke, mache ich mich daran, ein letztes Mal die Antriebskette zu spannen und zu fetten. Die Kette ist inzwischen sichtbar am Ende. Vor der nächsten Tour werde ich eine neue aufziehen müssen. Auch der kleine Aufträufler von HKS ist leer und ich werfe ihn in den Mülleimer vor dem Schuhladen.
Bei Sainsbury's decke ich mich mit einem leckeren Abendessen für die Überfahrt ein: Ein Stück geräuchter Speck, Kartoffelsalat, Käsekuchen, drei Schokoriegel, Rotwein und Wasser. Ich werde heute schön im Bett essen und dabei fernsehen.
Inzwischen gebe ich das erfahrene Bikergirl. Zielsicher fahre ich zum Bug, stelle den Motor ab, lasse den Gang drin, klappe den Seitenständer aus und schlage die Lenkung ein. Ich keile einen Bremsklotz unters Vorderrad und ziehe einen Spanngurt quer über die Sitzbank. Drei, vier, fünfmal die Ratsche bis der Gurt sich strafft und Greeny ist bereit für die Überfahrt.
Ich ziehe den Zündschlüssel ab, lasse Helm und Handschuhe auf dem Motorrad zurück, schnappe den Tankrucksack mit Pieps und dem Essen und mache mich auf zu meiner Kabine, während die anderen Biker noch mit ihren Maschinen beschäftigt sind.
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