Zurück in Wales
Von irgendwo her höre ich die gleichmäßigen Atemzüge eines Schläfers. Das müssen die Engländer nebenan sein. Als die Amsel neben meinem Zelt zu singen anfängt, weiß ich, dass die Nacht bald vorbei ist und stehe auf.
Mit dem Handtuch unterm Arm gehe ich durch das taunasse Gras zum Waschhaus. Abwechselnd spritze ich mir kaltes und heißes Wasser ins Gesicht. Der alte Marilyn Monroe Trick zum Entknittern lässt mich im Nu wieder frisch aussehen und fast könnte ich auf MakeUp verzichten. Tue ich aber nicht."Lane 16, please", werde ich im Rosslare Europort nach einem kurzen Blick auf mein Ticket durchgewunken. Pünktlich um 8 Uhr öffnet sich die Schranke und ich rolle auf die Fähre. Nachdem die Crew mein Motorrad festgezurrt hat, mache ich mich eilig auf den Weg ins Restaurant. Ich will nicht die Letzte in einer endlosen Schlange von Kaffeejunkies sein.
Nach dem Frühstück setze ich mich in die Motorist Lounge und sehe mir den Wetterbericht im Fernsehen an. "Heavy Rainstorms for Wales and Southern England", werden in Aussicht gestellt, aber zuerst einmal sitze ich noch trocken in meinem Fernsehsessel und genieße die Überfahrt auf der Isle of Inishmore.
"We had a real poor summer this year 'til now", versichert mir ein Ire. Das Wetter sei sonst besser auf der grünen Insel. Ich mache ein angemessenes Geräusch, halte ihn insgeheim aber für einen dreisten Lügner. Oder für einen Agenten des Fremdenverkehrsamtes.
Die Überfahrt ist langweilig und ich sehe mir eine TV-Show nach der anderen an. Sie haben Titel wie Homes under the Hammer und Real Rescues.
Für Crime Stoppers werde ich mir zuhause ein paar Stunden anschreiben, wenn ich wieder im Büro bin. Ist ja dienstlicher Bezug.
Seit ein paar Jahren habe ich keinen Fernseher mehr, sehe es aber als meine Pflicht an, mich von Zeit zu Zeit zu vergewissern, ob das bisherige Niveau gehalten werden konnte. Es konnte.
Beruhigt stehe ich aus dem Fernsehsessel auf und mache mich auf den Weg zum Blue Lift. Wir legen bald an und es wird Zeit, die Maschine klar zu machen.
Mal sehen, was weiß ich über Wales? Es ist ein eigenständiges Land innerhalb des United Kingdom, ungefähr halb so groß wie Niedersachen, die Hauptstadt heißt Cardiff und das Land ist bekannt für seine eigenartige Sprache, für einen Prinz mit markanten Ohren, sowie für Snowdonia und die Brecon Beacons.
Darüber hinaus habe ich nicht die blasseste Vorstellung von Wales. Voller Neugier fahre ich in ein unbekanntes Abenteuerland hinein.
Einhändig und mit nur einem Handschuh fahre ich bis zur Mautstation und halte die Münzen solange in der linken Hand. Kuppeln wird ohnehin überschätzt. Ich bezahle die 35 Pence, ziehe den fehlenden Handschuh wieder an und düse weiter. Inzwischen gießt es in Strömen und ich fahre unter das Dach einer TOTAL Station, um zu tanken.
"We don't take that!", verkündet die Kassiererin und schiebt die 5 £ Note wieder zurück, die ich in Nordirland aus dem Automaten gezogen habe.
Moment mal, so leicht lasse ich mich nicht einschüchtern. England, Schottland und Nordirland haben eine gemeinsame Währung, das Pfund Sterling, aber alle drucken eigenen Noten mit unterschiedlichen Motiven.
"It's Pound Sterling which is legal currency in the whole UK and actually you have to take it!", sage ich ein wenig zu laut und zu unhöflich, worauf der Manager aus seinem Büro nach vorne kommt, ein junger Typ mit Schlips und Kragen.
Er wirft einen kurzen Blick auf die 5 £ Note, die auf dem Tresen liegt, und beschwichtigt mich: "Of course we take it. Sorry, Madam", und wirft der Kassiererin einen Blick zu, als sei sie der Euro. Zufrieden setze ich meine Reise fort.
In Haverfordwest halte ich bei Morrisons, um für das Abendessen einzukaufen. Hoffentlich haben die hier überhaupt Fleisch in Wales.
In meiner tropfnassen, orangen Regenkombi errege ich einige Aufmerksamkeit, aber ich habe nur Augen für das erstaunliche Angebot der Fleischabteilung. Ich erstehe zwei famos aussehende Welsh Rib Eye Steaks, die mit 17 £ pro Kilo auch noch mega billig sind. Ich mochte Wales von Anfang an.
In der Getränkeabteilung finde ich schwedisches Birnencider und kaufe eine Flasche davon. Komisch, das ist mir dort nie aufgefallen, aber bei meiner nächsten Schwedentour werde ich darauf achten.
Der Regen ist weitergezogen und jetzt scheint sogar die Sonne. Wales begrüßt mich mit Sonnenschein und Schäfchenwolken über einer lieblichen Hügellandschaft. Die Straßen sind in ausgezeichnetem Zustand und die Kurven ein Genuss.
Gut, dann baue ich erstmal mein Lager auf und warte, bis später jemand zum Kassieren kommt. Das kenne ich schon aus Norwegen.
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